Paxson, Diana L.
KIND, das gleichermaßen das Christkind und alle Kinder war, als auch der KÖNIG und die gesamte Menschheit. Da streckte ER sein Händchen nach mir aus und lachte.
Nun lachte auch ich, und die ganze Schöpfung lachte mit mir. Ich lachte immer noch, als ich die Augen öffnete und sah, daß meine Stute über mir stand und mich vorwurfsvoll mit ihrer weichen Nase anstupste.
Ogrin hatte etwas zu essen bereitgestellt, als ich am Abend zurückkam. Doch als er mein Gesicht sah, lächelte er nur und versuchte nicht, mit mir zu reden. Ich aß und staunte über den feinen Geschmack des Käses, die Beschaffenheit des Brotes, und empfand verzaubert das Wesen jedes einzelnen Dinges. Ich schlief mühelos ein, und als ich erwachte, spürte ich, daß ich geheilt war.
Am Morgen ging ich hinunter, um meine Stute zu tränken, dann stieg ich den Felspfad wieder hoch. Ich hatte die Tage nicht gezählt, doch als ich die angezündeten Kerzen sah und den tragbaren Altar auf den aufgehäuften Steinen, wurde mir klar, welcher Tag es war. Ogrin hatte mich aufgefordert teilzunehmen, aber ich zog mein Schultertuch über den Kopf und kniete mich vor dem Altar nieder.
Ogrin kam mit dem Meßbuch in der Hand aus der Hütte heraus. Eine Seidenstola verlieh seinem Gewand ungewohnten Glanz, doch ich bemerkte es kaum, denn er trat an den Altar wie ein Bräutigam zu seiner Braut.
Das vertraute Latein erklang aus seinen Lippen, doch noch nie zuvor hatte ich eine solche innere Überzeugung aus den Worten gehört. »Gloria in excelsis Deo, et in terra pax hominibus bonae voluntatis. Laudamus te, benedictimus te, adoramus te, glorif icamus te…« Das Lebenslicht um ihn leuchtete stärker.
Als der Priester die Hostie weihte, sah ich überkreuzte Strahlen in der Luft, und als er die Hände darüber hielt, pulsierte Licht aus seinen Handtellern. Dann hob er die Hostie opfernd empor, und das goldene Glühen des Himmels richtete sich darauf.
Ogrin weinte; vielleicht sah er seinen KÖNIG, der sich selbst geopfert hatte. Doch ich glaubte einen Augenblick lang, das strahlende Bild des KINDES zu erschauen.
Dann reichte er mir die Hostie dar, und ich kostete die Vereinigung und erkannte, daß dies und die Einheit von Fleisch und Geist, die ich in der HEILIGEN VERMÄHLUNG erlebt hatte, und MUTTER und KIND, die mich auf dem Moor gesegnet hatten, alles Teil desselbenMysteriums waren.
***
Als ich nach Lan Juliot zurückkehrte, wartete Gorwennol.
»Drustan ist krank«, sagte Esseilte leise. »Er hat nach mir geschickt.«
»Es ist diese Wunde, die er im Kampf mit dem König davontrug«, erklärte mir Gorwennol. »Mein Fürst hat sehr viel Blut verloren. Doch bis Keihirdyn ihn zu seiner Insel zurückgebracht hatte, war das Wundfieber gesunken – Drustans Insel in der Nähe von Plebs Marci, nicht Barsa, denn selbst Keihirdyn ist klüger, als zu versuchen, dorthin zurückzukehren. Das war vor etwa drei Wochen. Das Schwert schnitt lediglich durch Muskeln, nicht in die Brust, wie wir befürchtet hatten. Wir glaubten, daß er rasch gesunden würde.«
Ich stellte meine Sachen auf dem Boden ab und setzte mich, denn plötzlich spürte ich die Anstrengung des langen Rittes, vielleicht war es aber nur Gorwennols Neuigkeit.
»Ist denn die Wunde brandig geworden?« Ich bemühte mich, so ruhig zu sein, wie Esseilte scheinbar war.
Gorwennol strich sich durch das immer mehr ergrauende Haar, er seufzte. »Sie wurde ganz rot und empfindlich, dann färbte sich das Fleisch dunkel, und Eiter trat aus, der so übel roch, daß Essylt…«, er hielt inne, als er sich besann, mit wem er sprach, »so daß die Fürstin es nicht mehr ertrug, ihn zu pflegen.«
Esseilte und ich wechselten die Blicke. Wir erinnerten uns an den Gestank im Gästehaus auf Temair, als wir um das Leben des Harfners kämpften, den wir aus dem Meer gezogen hatten.
»Wir versuchten es mit Umschlägen und Ausbrennen. Es ist, als wäre Gift im Fleisch, das nicht herauskommt, was wir auch tun!« fuhr Gorwennol fort.
Auf des Königs Klinge war kein Gift gewesen, aber ich hatte genügend Verletzungen behandelt und wußte, daß schmutzige Wunden häufiger als andere brandig wurden. Ich erinnerte mich an den Schlamm auf dem Bauernhof und schauderte.
»Mein Fürst wurde schwächer, doch er war noch bei klarem Verstand, als er mich zu Euch sandte. Er sagte, daß Ihr und die Magie Eurer Mutter ihn geheilt haben, als es ihm schon einmal so schlecht erging. Er sagte, wenn Ihr ihm nicht helfen könnt, gibt es niemanden
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