Paxson, Diana L.
selbst den Weg durch den Ginster auf das Moor finden.
Wir kamen langsam von Grasbüschel zu Grasbüschel voran; so gelangten wir allmählich zu einem Hang mit üppigem Gras, und ich rutschte von ihr hinunter. Das Ende des Strickes band ich um den Fuß eines besonders kräftigen Ginsterstrauchs und streckte mich daneben aus. Ein leichter Wind blies ein paar flaumige Wolken westwärts. Ein Falke kreiste tiefer, schien uns jedoch uninteressant zu finden und segelte weiter.
Wie ich so zwischen Himmel und Erde lag, versuchte ich zu beten. Doch mein Geist blieb gefangen in dieser Form des Fleisches, das, wenn stimmte, was Ogrin mir gesagt hatte, nicht geliebt wurde, weil ich selbst es nicht schätzte – nein, nicht das Fleisch, oder zumindest nicht nur, sondern was immer ich unter mir verstand.
Aber wer war ich?
Mein Atem kam langsamer, als mein Bewußtsein in mir forschte. Eine Zeitlang quälte meinen Geist die Furcht, nichts zu finden. Doch wenn es keine Antwort gab, war nichts mehr von Bedeutung, und ich bereits verloren. Ich verkrampfte mich und zwang mich, mich wieder zu entspannen. Und endlich gelang es mir, mich gehen zu lassen.
Ich fand einen stillen Ort, wo ich mich ausruhen, wo ich alles Streben aufgeben und einfach sein konnte… Das bin ich – erkannte ich – nicht Esseiltes Dienerin oder Keihirdyns Spielzeug, nicht einmal Marchs unerkannte Königin. Wie bei Modrons Quell spürte ich, daß es mein Ich schon gegeben hatte, lange bevor die britische Gefangene ihr Kind gebar; daß mir eine Weisheit zu eigen war, die mir jetzt helfen würde, wenn ich mich nur erinnern könnte. Doch da war noch etwas, was ich brauchte. Und in dieser inneren Stille, kamen die Worte wie von selbst:
»Mutter! Gottesmutter, meine Mutter oder Allmutter! Wenn es dich gibt, dann sprich jetzt zu mir!«
Da hatte ich das Gefühl, daß etwas gegenwärtig war, als habe etwas so Großes, daß sein Vorhandensein die Grenzen der Wirklichkeit zu sprengen drohte, seine Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Ich bemühte mich, es zu verstehen, und spürte eine Verwandlung, ein Sinken auf eine Ebene, auf der mein Wahrnehmungsvermögen es in Bilder hüllen konnte, die mein Verstand zu begreifen vermochte.
Licht brach sich auf Wasser … ein Hauch von Leuchten nahm Form an. Ich sah die Gestalt einer Frau, gewandet und verhüllt in sternenübersätes Blau wie das Firmament in einer Sommernacht, oder wie tiefes Meer an einem klaren Tag, wenn das Schiff weit von der Küste entfernt ist. Und doch, trotz des schimmernden Wallens IHRES Gewandes, war SIE selbst fest, wirklicher als alles, was ich je gesehen hatte.
»Mutter!« rief ich IHR zu. »Hilf mir!« Verzweifelt streckte ich die Hände aus. Atemlos wartete ich, und SIE drehte sich um.
Licht strahlte aus IHRER Brust. Ich bedeckte die Augen und spürte, daß IHRE Herrlichkeit nun verschleiert war. Als ich wieder nach IHR blickte, sah ich, daß die MUTTER auf dem Arm ein KIND hielt. Mit dem anderen winkte SIE mir zu…
Mich diesem Leuchten zu nähern…
Den Saum IHRES Gewandes zu berühren…
An IHRER Brust zu liegen und dem Puls der Welt in IHREM Herzen zu lauschen…
»Wo bist DU gewesen?« Ich schmiegte mich an sie.
»Ich bin seit dem Urbeginn; alles Erschaffene kam aus meinem Schoß…«
»Aber ich habe DICH nicht gesehen!«
»Törichtes Kind – du mußtest nur in dich blicken!«
»Nun da ich DICH gefunden habe, werde ich DICH nie wieder verlassen.« Ich drückte mich noch fester an IHRE Brust, versuchte damit vielleicht, in IHRE leuchtende Dunkelheit zurückzukehren, um alles zu vergessen, was die Welt mir angetan hatte.
»Wahrlich? Aber was ist mit jenen anderen, die du liebst? Sie sind durch Schatten gewandelt, genau wie du! Willst du nicht meine Liebe zu ihnen tragen?«
»Was ist Mutterliebe?«
»Zu gebären, zu nähren und dann freizugeben…«
Als stünden sie vor mir, sah ich Esseilte, blaß wie gebleichtes Linnen, aber mit innerer Flamme brennend; ich sah Drustans Hände hilfesuchend ausgestreckt; und ich sah March sie voll Schmerz beobachten, ohne daß er sie verstehen konnte. Und hinter ihm sah ich Kernow, das Land, darauf warten, erneuert zu werden.
»Ich werde zurückkehren«, sagte ich, wie schon einmal im Elbenkreis. »Aber ich habe sie alle bitter enttäuscht! Was kann ich tun?«
»Du mußt erst dich selbst gebären, meine Tochter, ehe du Mutter eines Kindes sein kannst.«
Zum ersten Mal blickte ich bewußt auf das KIND, das SIE auf IHREM anderen Arm hielt; das
Weitere Kostenlose Bücher