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Paxson, Diana L.

Titel: Paxson, Diana L. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Zauber von Erin
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Wahrheit, als ich beabsichtigt gehabt hatte, ihm zu sagen – mehr Wahrheit, als ich bis zu diesem Augenblick selbst erkannt hatte. Ich schlug die Hände vors Gesicht.
    »Mein armes Kind.« Ich spürte seine Hand sanft auf meinem Haar. »Und was erwartest du dir von mir?«
    »Vergebung!« rief ich. Doch wirklich wollte ich, daß er die letzten vier Jahre ungeschehen machte, damit ich noch einmal anfangen konnte.
    »Ich könnte dir Gebete als Buße auferlegen und dir im Namen der heiligen Dreifaltigkeit vergeben. Ich habe Brüder, die sich bis auf die Knochen wundknieten, um von den Banden des Fleisches und der Welt freizukommen. Vielleicht lohnt sich so etwas für sie. Weiß Gott, wie oft mich die Erkenntnis meiner eigenen Unwürdigkeit mit Tränen und Stöhnen auf die Knie sinken läßt…« Gedankenverloren rieb er die Hände auf dem fadenscheinigen Stoff seines Gewandes hin und her. »Doch ich glaube«, sagte er schließlich, »du weißt bereits, daß Selbstverleugnung zu hintergründigeren Sünden führen kann.«
    »Ich bemühte mich so sehr«, flüsterte ich. »Ich dachte, ich könnte es für alle gut machen…«
    »Und hast du dich aus Liebe bemüht oder aus Stolz?« fragte er da.
    »Ich hielt es für Liebe…« Ich schluckte. »Ich dachte, wenn ich genug täte, würden sie mich lieben…« Wieder sah ich Marchs Gesicht, starr vor Schmerz, und den Zorn in Esseiltes Augen.
    »Bist du denn der Liebe nicht würdig, so wie du bist?« fragte er da noch sanfter.
    Nicht die Tochter einer unverheirateten Gefangenen! Nicht die als Dienerin angenommene Pflegetochter! Wieder begann ich zu weinen.
    »Ich liebe dich«, sagte er da. »Mein Gott liebt dich…« Er legte den Arm um mich und bettete meinen Kopf auf die grobe Wolle über seiner knochigen Brust. Sie war als Kissen nicht bequem, doch der Friede, den dieser Mann ausstrahlte, war wie kühles Wasser auf meinen brennenden Schmerz.
    »Aber ich bete nicht zu Eurem Gott«, sagte ich nach einer Weile. Das war nicht meine Entscheidung gewesen. Es war die Herrin, dachte ich, die mich erwählt hatte.
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Abt Ruadan würde ja sagen!« Es war unglaublich, aber ich hatte das Bedürfnis zu lächeln. Nach kurzem Schweigen seufzte Ogrin. Ich richtete mich auf, um ihn anzublicken.
    »Nicht, weil ich meine Mitmenschen nicht liebe, bin ich Einsiedler geworden, Branwen, sondern weil ich befürchte, sie würden an mir Anstoß nehmen. Darum bin ich ausgezogen, um Gott in der Wildnis zu suchen. Auch wenn ich vielleicht deine Seele und meine eigene gefährde, wenn ich es ausspreche, scheint mir doch, daß ER, der das Wort ist, nicht von den Namen gebunden werden kann, durch welche die Menschen IHN festlegen wollen.«
    »Oder SIE?« fragte ich.
    »Vielleicht, doch das geht über meine Theologie hinaus.« Ogrins flüchtig gekräuselte Stirn glättete sich, und er fing zu lächeln an. »Doch nicht einmal unser Herr hätte zum Mann erwachsen können, ohne im Schoß einer Frau zu Fleisch geworden zu sein. Bete zur Gottesmutter. Dagegen kann nicht einmal dein Abt Ruadan etwas haben.«
    »Und was ist mit jenen, die sich an mir versündigt haben?« fragte ich schließlich.
    »Nicht du bist ihr Richter. Liebe sie. Bete für sie.«
    Ich verstand es nicht, denn Ogrin hatte keine Magie gewirkt, um mir meine Sünden zu nehmen, doch als ich mich an diesem Abend auf meinem Lager ausstreckte, sank ich sogleich in einen Schlaf, der so tief und erquickend war, wie ein Zauber der Sidhe sein mochte. Und ich träumte nicht.
    Ich erwachte wie ein Kind an einem Sommermorgen. Als ich mich ankleidete, wurde mir bewußt, daß die Kopfschmerzen endlich vergangen waren, die mich seit jener Nacht in Nans Yann gequält hatten. Haferbrei und einige spät gereifte Beeren standen für mich bereit, doch Ogrin war nicht da. Als ich hinaustrat, sah ich ihn oben auf dem Felsen sitzen. Er sah aus, als hätte er so schlecht geschlafen, wie ich gut. Er hob segnend die Hand, doch er sagte nichts. Nachdenklich stieg ich den Pfad hinunter zu meiner Stute.
    Im Norden erstreckten sich die Wiesen festeren Landes, doch im Süden und zu beiden Seiten zog sich wellig in den Farben des Herbstes das Moor dahin: das Granatrot des Heidekrauts, das rostfarbene Purpur der sterbenden Farne, das stumpfe Gold reifen Grases und des Besenginsters, alles vermischt mit dem allgegenwärtigen dornigen Stechginster. Ich band einen längeren Strick an das Halteseil der Stute, kletterte auf ihren bloßen Rücken und ließ sie

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