Paxson, Diana L.
seid.«
Durch den Wein und die Wärme am Feuer war ich fast eingenickt, als ich Marchs Stimme hinter mir hörte. Ich quälte mich aus der endlosen Tiefe der Erschöpfung und drehte mich um. Sein hartes Gesicht wurde weicher, als er meine umschatteten Augen und mein wirres Haar sah. Er seufzte. »Zumindest seid Ihr diesmal nicht in Haß gekommen… Was gibt es, Branwen, daß Ihr Euch halb zu Tode geritten habt, um es mir zu sagen?«
Ich errötete, denn erst jetzt erkannte ich, wie gut er in mir gelesen hatte. »Nicht in Haß, und es ist nur für Euer Ohr bestimmt, Wor-Tiern.« Ich blickte an ihm vorbei auf die ihre Neugier kaum verhehlenden Gesichter um uns. March schnitt eine Grimasse und bedeutete ihnen, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
»Esseilte ist krank, aber sie lebt noch, wenn ihr Schiff nicht in diesem Sturm gesunken ist…«, sagte ich. »Sie ist unterwegs zu Drustans Insel.«
»Und Ihr wollt, daß ich ihr folge? Um Gottes willen, warum?« Der König hatte die Stimme erhoben, und die Männer drehten sich wieder um. Er strich mit bebender Hand über seine Augen.
»Laß sie gehen, Branwen! Das hätte ich schon lange tun sollen. Selbst wenn ich so eifersüchtig wäre, wie der Klatsch mich hinstellt, könnte ich ihr jetzt nicht folgen. In Armorica spitzen sich die Dinge zum Endkampf zu. Ich muß mich der Verläßlichkeit meiner Verbündeten vergewissern, mich um Waffen und Nachschub kümmern, und um vieles mehr, ehe ich hier aufbrechen kann.«
»Habt Ihr denn niemanden, dem Ihr diese Pflichten übertragen könnt? Es ist um Euer selbst willen, glaube ich, daß Ihr kommen solltet…«
»Warum?« Er ließ die Hand vom Gesicht fallen und blickte mich durchdringend an. »Es war zu meinem eigenen Leid, daß ich das letzte Mal auf Euch hörte, Branwen. Nennt mir einen Grund, warum ich es noch einmal sollte!«
»Aus demselben Grund, weshalb Esseilte ging, so krank sie jetzt auch ist«, antwortete ich. »Weil Drustan vom letzten Hieb Eures Schwertes im Sterben liegt…« Ein langes Schweigen setzte ein.
»Er wollte nicht gegen mich kämpfen – er wollte nicht gegen mich kämpfen, und ich war blind vor Wut…«, flüsterte March schließlich, ohne den Blick vom schwach flackernden Feuer zu nehmen. »O heilige Mutter Maria, was habe ich getan?«
Doch das konnte ich ihm nicht beantworten, noch konnte ich die Entscheidung für ihn treffen. Es war schmerzvoll genug gewesen, zu meiner eigenen zu kommen. Es deuchte mir eine lange Zeit, ehe er sich aufrichtete, nach Mevennus Magot rief, und die Befehle erteilte, die uns gestatten würden, aufzubrechen.
***
Bis wir die Mündung des Fawwyth erreicht und uns in den Kanal gekämpft hatten, flohen die Sturmwolken ostwärts wie die Reste einer besiegten Armee. Die See war noch stark bewegt und der Wind kräftig genug, den Gischt von den Wellenkämmen davonzublasen wie den weißen Schweiß am Hals eines überanstrengten Pferdes. Doch des Königs Langschiff war dazu erbaut, die Wellen zu reiten, und seine Mannschaft war die beste von ganz Kernow. Ich begann zu hoffen, daß wir nicht allzu weit hinter Esseilte und Gorwennol sein würden, falls sie Armorica erreicht hatten.
Trotzdem brauchten wir fast eine Woche härtesten Segelns, ehe wir unseren Weg durch die letzten der schwarzen Felsen nahmen, die Landspitze von Vanis sichteten und die Küste von Cornovien. Fast erschrocken wurde mir bewußt, daß ich beinahe den ganzen Oktober auf Reisen gewesen war. Samhain konnte nicht mehr fern sein. Ich erinnerte mich, wie der Wind durch diese dunklen Berge vor uns pfiff. Und zu dieser Jahreszeit würde noch anderes als der Wind zwischen den alten Steinen wispern. Ich erschauerte bei dieser Erinnerung und wünschte mir, dies wäre zu einer anderen Jahreszeit geschehen.
Im ersten Morgenlicht waren wir durch die Klippen gekommen, und ein steifer Wind trieb uns in die Bucht. Kurz nach Mittag ruderten die Männer das Schiff zum steinigen Strand von Drustans Insel.
Auch andere Schiffe waren dort vertäut, eines wurde gerade entladen, es war vom Wetter arg mitgenommen und gebleicht, daß es in der blassen Sonne wie ein Geisterschiff aussah. Aber mein Blick richtete sich auf die Festung, wo die frisch gehauenen Stämme einer neuen Palisade sich vom Felsen erhoben. Das Tor stand offen, doch es war hier eigenartig still.
Die Männer, die auf den anderen Schiffen arbeiteten, blickten hoch, deuteten und fingen an, des Königs Namen zu rufen. Ich stolperte, als sich der
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