Paxson, Diana L.
auf der ganzen Welt, der es kann…« Seine Stimme brach und er mußte schlucken, ehe er weiter sprechen konnte.
»›Sag ihr‹ – das sind seine Worte –, ›sag ihr, auch wenn sie nicht kommen kann oder will, daß ich sie immer noch liebe, und daß ich im Sommerland auf sie warten werde…‹«
Ich blickte Esseilte an, und das Lampenlicht zeigte mir die feine Schädelform unter der straff gespannten Haut.
»Aber ich werde zu ihm kommen«, sagte sie.
Gorwennol schaute Esseilte an, und mir entging nicht, daß er sah, was ich gesehen hatte. Er räusperte sich.
»Tiernissa, das ist eine Woche her, und er war sehr krank. Er ist vielleicht bereits tot…«
»Nein«, entgegnete sie mit derselben ruhigen Stimme. »Wenn er vor mir gestorben wäre, wüßte ich es.«
»Auch der Rückweg dauert eine Woche, vielleicht der Stürme wegen sogar länger«, fuhr Gorwennol entschlossen fort. Sie nickte. Dann blickten mich beide an.
Nach einem Moment verstand ich weshalb. Wenn ich Gorwennol darauf hinwies, daß es Esseiltes Tod wäre, zu dieser Jahreszeit eine Seereise zu machen, würde er sich weigern, sie mitzunehmen. Wieder hing die Entscheidung von mir ab. Ich schloß die Augen.
»Zu gebären, zu nähren und dann freizugeben…« Ich wußte auch, worum Esseilte mich bat. Aber so bald? Mußte es schon so bald sein?
»Ihr werdet das Pulver vom Schimmelpilz der Eicheln brauchen…«, überlegte ich laut. »Ich habe es, ebenso wie die anderen Mittel. Und ich werde euch die magischen Worte aufschreiben…«
Ich sah, wie sich Esseiltes Augen weiteten, als sie die Größe meiner Gabe erkannte – nicht nur ließ ich sie gehen und gab ihr die Heilmittel, ich drängte mich nicht auf und ließ sie allein ziehen.
***
Als sie fort waren, fing es zu regnen an. Es war ein gleichmäßiger Regen, schwer und trostlos, er paßte genau zu meiner Stimmung. Ich wußte, daß ich die richtige Entscheidung für Esseilte und Drustan getroffen hatte, aber ich vermochte mich darüber nicht zu freuen. In der zweiten Nacht kam heftiger Sturm auf. Ich konnte die Gischtspritzer bis oben auf der Klippe spüren, und ich schauderte, als ich wach lag und lauschte, wie die Wellen gegen die Küste schmetterten. Es war ein Sturm, der so manchem Schiff auf dem Meer ein Ende machte.
Ich dachte: Wenn Esseilte nicht mehr lebt, wird Drustan ganz gewiß sterben. Und wenn beide nicht mehr sind, wer wird dann March erzählen, wie es zwischen ihnen war, damit er wenigstens den Grund für all dieses Leid verstehen wird?
Am Morgen zog ich alle warmen Kleidungsstücke an, die ich besaß und erbat vom Abt ein kräftigeres Pferd als meine alte Stute. Ich trieb das Tier und mich bis fast ans Ende unserer Kraft über die Weite von Kernow nach Bannhedos.
***
»Und welcher Sturm hat Euch hierher verschlagen, Unglücksrabin?« erkundigte sich Karasek. Ich blickte ihn wortlos an und stapfte steif zur Feuerstelle in der Mitte der Halle. Das Wasser, das von meinem durchweichten Umhang tropfte, sickerte auf den mit Farnen bedeckten Boden. »Und was für ein kläglicher Vogel, muß ich schon sagen«, fuhr er fort. »Aber vielleicht bringt diese Rabin uns diesmal gute Neuigkeit – ist die irische Hündin nun tot, und wollt Ihr den König bitten, Euch in den Ruhestand zu versetzen?« Das Murmeln, das bei meinem Erscheinen verstummt war, schwoll jetzt wieder an. Jemand lachte.
Crida kam geschäftig in die Halle, blieb mitten im Schritt stehen, als sie mich sah, dann beeilte sie sich, mir die Spange zu öffnen und mir aus dem schweren Wollumhang zu helfen. Sie gab ihn einem Knappen mit einem Schwall nur so heraussprudelnder Anweisungen. Unter dem Umhang war ich verhältnismäßig trocken geblieben, trotzdem wickelte mich Crida rasch in eine Decke und schob mir einen Krug dampfenden Glühwein in die Hand.
»Achtet nicht auf den Kerl«, sagte sie leise. »Mit seiner Zunge könnte man die Schwerter einer Armee wetzen!«
»Ich weiß. Wo ist der König?«
»Oben…« Sie deutete zu den Räumen hinter der Galerie und fügte abfällig hinzu: »Mit den Sachsen! Ist Eure arme Herrin denn gestorben? Ich befürchtete es – sie sah gar nicht gut aus.«
»Sie lebt…« Ich biß auf die Lippe. »Ich hoffe, sie lebt, aber ich muß mit dem König sprechen.«
Crida runzelte die Stirn. »Diese heidnischen Hunde können nicht ohne ein Alehorn in den Pratzen reden. Sie werden bald nach mehr schreien, nehme ich an. Ich werde es ihnen selbst bringen und dem König sagen, daß Ihr gekommen
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