Paxson, Diana L.
auf den dunklen Kopf der anderen Essylt.
Sie hob ihn bei diesen Worten. Ihre vom Weinen roten und verquollenen Augen blickten von einem Gesicht zum anderen, ohne irgendwo Mitgefühl zu finden. Die Schönheit, von der Drustan gehofft hatte, sie würde ihm helfen, seine Königin zu vergessen, konnte ich nicht sehen. Essylt Dorwenn war eine kleine, knochige Frau mit dicken schwarzen Zöpfen und Augen, die jenen ihres Bruders Keihirdyn viel zu sehr glichen.
»Ihr seht mich an, als hätte ich ihn getötet! Aber Drustan war nicht mehr zu retten – ich dachte, wenn er glaubte, daß sie ihn verraten hat, würde er mir wenigstens an seinem Ende ein gutes Wort schenken. Er war mein Gemahl, und er hat mich betrogen!« Ihre Stimme hob sich. »Ich hatte ein Recht…«
»Er war nie Euer!« Meine Worte schnitten sich mit ihren. »Hoffnung hätte ihm die Kraft geben können, durchzuhalten, bis sie mit ihren Heilmitteln eintraf…«
»Es war besser für ihn zu sterben, als durch ihre Zauberei gerettet zu werden, damit sie erneut sündigen könnten!« keifte Essylt.
»Weib, Eure Anwesenheit ist eine Schmach für den Toten!« fuhr der König sie plötzlich an. »Geht und beerdigt Euren Bruder. Hier ist kein Platz für Euch!«
Essylt sank auf ihren Stuhl zurück, als hätte er sie geschlagen. Einen Augenblick starrte sie uns noch finster an, dann rannte sie schluchzend aus dem Gemach.
Schweigend lauschten wir dem Echo ihrer Füße auf der Treppe.
»Soll ich meinem Herzen glauben oder ihren Worten?« Marchs Stimme klang brüchig, als er weiterlas. »O meine Königin, vielleicht ist dies die letzte Prüfung… Die einzige Wahrheit meines Lebens war meine Liebe zu dir. Selbst wenn du nicht kommen willst, soll nichts diese reine Flamme löschen!«
Die Sonne stand nun tiefer und schien voll durch das Fenster. Sie lieh Drustans starrem Gesicht ihr Licht und glitzerte auf den Saiten der Harfe neben ihm. Er lag, wie der Tod ihn zurückgelassen hatte, das Haar zerzaust, der Körper in schmerzverkrümmter Haltung.
»Mein Herz versichert mir, daß du kommst, doch meine Sinne verlassen mich, und ich kann an nichts mehr glauben. Warum solltest du mich heilen, wenn ich dir solches Leid gebracht habe? In meinem ganzen Leben habe ich nur dich geliebt und meinen König. Und meine Verdammung war, daß ich ihn verraten mußte, indem ich dir diente.
So wart ihr zusammen mein Tod…« Marchs Stimme brach. Er drückte eine Hand auf die Augen und gab mir die Tafel.
Ich räusperte mich. »Ich hätte mein Leben an seiner Seite gegeben, und er wird in der Zeit, die bevorsteht, Männer an seiner Seite brauchen.« Ich schluckte, dann fuhr ich fort. »Aber ich wäre lieber in deinen Armen eingeschlafen. Dieser Tod im Bett ist nicht leicht – diese Wunde schmerzt mehr als die, die mir der Morholt schlug, denn sie ist meinem Herzen näher. Doch in all dem Gestank und dem Todeskampf verklärt doch die süße Rundung deines Busens die Welt…« Ich hielt inne, als mir das drückende Schweigen in dem Gemach bewußt wurde.
»Das Schiff hebt sich unter mir. Es trägt uns zu den seligen Inseln. Du hast dich getäuscht, Esseilte – die Magie, die wir miteinander tranken, war sowohl der Tod wie die Liebe… « Die Tafel entglitt meinen Fingern und klapperte auf den Boden.
»Und weiter?« fragte der König rauh.
»Das war alles…«, antwortete der Mönch. »Er hörte zu sprechen auf, dann lächelte er. Und ein wenig später kam sie.« Er zuckte unbehaglich die Schultern und deutete mit einem Kopfnicken auf Esseilte. March stieß einen langen, zittrigen Seufzer aus und wandte sich mir zu.
»Welche Magie, Branwen? Was meinte er damit?«
Ich verschränkte die Hände, damit sie zu beben aufhörten.
»Auf dem Schiff, das uns nach Kernow trug«, begann ich langsam, mit stockender Stimme, »wollte Esseilte ihren Oheim mit Gift rächen…« Worte, die ich nie gefunden hatte, drängten über meine Lippen, als ich das Netz von Gefühlen zu entwirren suchte, in dem wir uns alle verfangen hatten, damit er verstehen könne.
»Aber warum hat er mir nicht gesagt, daß sie ein Liebespaar waren?« rief March, als ich geendet hatte. »Ich hätte…«
»Ihr hättet das Bündnis rückgängig machen müssen. Esseiltes Vater brauchte es zu sehr, als daß sie dieses Risiko eingehen konnte, und Ihr brauchtet es nicht weniger.«
»Sie band Drustan mit einem Zauberbann der Liebe, und ich ihn mit einem der Treue!« Der König stöhnte. »Aber er hätte wissen müssen, daß er
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