Paxson, Diana L.
Stimme bebte.
»Ihr habt die Königin erkannt, doch nicht die Frau«, wisperte ich.
»Branwen!« Seine tiefe Stimme vibrierte in meinen Knochen. »Seht mich an!« Seine Hände faßten meine Schultern, und mein Haar flatterte im Wind, als ich mich ihm zuwandte.
»Es war wirklich, mein König«, antwortete ich weinend. »Die Frau, deren Jungfernschaft Ihr im Steinkreis bekommen habt, war ich…«
»Das ist die Wahrheit?« Er hob mein Kinn, so daß ich ihm in die Augen sehen mußte.
»Soll ich Euch den Weg der Drachenkraft beschreiben? Vom Jungfernkreis zum Felsen am Meer, vom Felsen zum Schlangenstein, vom Stein zur heiligen Stätte und weiter zum Hügel und dem Kreis der großen Steine…« Mit einem Aufschluchzen hielt ich den Atem an, denn es gab keine menschlichen Worte für die Gefühle, die mich nun bewegten.
Des Königs Hände schlossen sich wie Zwingen um meine Schultern, doch ich war jetzt dankbar für diesen Schmerz.
»Wer – bist – du?«
Seine Worte gingen im Tosen des Meeres, des Windes und der Flammen unter. Und diese waren es, die sich zur Antwort meiner Stimme bedienten.
»Ich bin die weiße Rabin von Logres… Ich bin die Königin des verborgenen Reiches… Ich bin die Brigantia von Kernow…«
Marchs Hände fielen von meinen Schultern.
»All diese Zeit…«, sagte er mit leiser Stimme.
Ich nickte zitternd, als die Kraft, die durch mich geflutet war, verebbte.
»Ich tat, was ich konnte, aber es war so wenig – March, ich habe wirklich versucht, mein Versprechen einzulösen!«
Ich spürte, wie mir wieder Tränen aufstiegen. Ich wandte das Gesicht ab, doch des Königs Hand wischte sie weg, und des Königs Arm zog mich näher und beschirmte mich vor dem Wind. Eine Weile schwiegen wir, doch er streichelte meinen Rücken, wie man ein verstörtes Pferd beruhigen mochte oder ein verängstigtes Kind. Und dann spürte ich seinen Atem auf meinem Haar.
»Aber warum? Du warst mir zu nichts verpflichtet, Branwen – warum?«
Vielleicht ist die Wahrheit das Geschenk, das die Toten uns geben… Wenn Esseilte Worte dafür zu finden vermochte, konnte ich es auch. Ich starrte in das rote Herz des Scheiterhaufens.
»Weil ich dich liebe.«
Das letzte brennende Scheit knackte laut, und die verkohlten Reste fielen zu einem Gluthaufen zusammen.
***
»Æthelbert von Kent wird gegen Mitte November seine Friesen herüberbringen…« Bodenbretter knarrten, als March ruhelos zum Fenster schritt. »Er ist sehr jung, aber rührig. Ich fürchte, er wird es weit bringen. Diese Sachsen haben eine beängstigende Zähigkeit. Wenn sie lernen, sich zusammenzuschließen, ehe wir es tun, wird Artus' Friede nicht von Dauer sein.«
Das letzte Binsenlicht war flackernd am Erlöschen, es warf des Königs Schatten wild zuckend hierhin und dorthin, während er unruhig auf und ab stapfte.
»Warum machst du sie dann zu deinen Verbündeten?«
Noch bekleidet lag ich auf dem Bett an der anderen Seite des Gemachs. March hatte es als selbstverständlich angenommen, daß ich mit ihm schlafen würde, nachdem wir von der Totenwache am Scheiterhaufen zurückgekehrt waren. Ich hatte keine Einwände erhoben. So viele Gefühle waren auf mich eingestürmt, daß ich nun wie ausgelaugt war. Vielleicht würde mir morgen der Verlust erst wirklich bewußt werden, dann konnte ich die Totenklage für Esseilte anstimmen. Doch nicht jetzt. Es gab Dinge, die gesagt werden mußten, aber ich vermochte mich nicht durchzuringen, die nötigen Worte zu suchen. Es war einfacher, still zu sitzen und von etwas Unverfänglichem zu reden, wie über den Krieg.
»Vielleicht bringen die Barbaren einander alle gegenseitig um…« March zuckte die Schultern. »Wenn nicht, mag es sich als dienlich erweisen, zumindest eine Meute dieser sächsischen Wölfe auf meiner Seite zu haben. Vorausgesetzt natürlich, daß überhaupt welche von uns überleben…« Er schenkte ein wenig Glühwein aus der irdenen Kanne über dem Feuerbecken in einen Krug, leerte ihn und stellte ihn zur Seite.
Ein Flattern im Magen sagte mir, daß die Unterhaltung plötzlich wieder persönlich geworden war.
»Die Gefahr ist also groß?« fragte ich vorsichtig.
»Allerdings.« Er seufzte. »Ich hätte nie gedacht, daß Chlotar so verdammt beharrlich sein würde. Offenbar kann er seinem Sohn nicht verzeihen, daß er sich gegen ihn gestellt hat. Ebensowenig hatte ich damit gerechnet, daß Domnonien Iudual so treu ergeben wäre. Und was ich von Drustans Wert als Kämpfer sagte, stimmt. Ich
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