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Paxson, Diana L.

Titel: Paxson, Diana L. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Zauber von Erin
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und her, aufgescheucht wie Vögel auf einem Kornfeld, wenn der Schnitter kommt. Ich zwang mich, tief zu atmen, meinen Kopf frei für ein Gebet zu machen, wie Bruder Ambrosius es uns geraten hatte. Bruchstücke von Gebeten fielen mir ein…
    Ich beuge mein Knie
Im Auge des Gottes, der mich erschaffen,
Im Auge des Sohnes, der mich errettet,
Im Auge des Geistes, der mich erhält…
    Ich ging weiter zum nächsten Stein. Die vertrauten Gebete beruhigten mich, doch die Macht, die mir bei Mairenns Worten so nahe geschienen hatte, war verschwunden. Das hier war Brigids Born – zu ihr sollte ich beten.
    Heilige Brigid, zu dir bete ich –
Feuer aus brennendem Gold,
Born süßer Weisheit,
Heilerin jeden Übels – höre mich!
    Immer noch kniend, holte ich tief Atem. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als wäre es wärmer, als hätte ein Hauch von Frühling die Herbstluft berührt.
    Von Stein zu Stein begab ich mich und flüstere die Worte, die mir von selbst über die Lippen kamen. Und mochten einige davon auch aus Gebeten an die Mutter Gottes stammen, so zweifelte ich doch nicht, daß sie, die Gottes Sohn gestillt hatte, es verstehen würde.
    Du bist die Königin-Jungfrau der Süße,
Du bist die Königin-Jungfrau der Treue,
Du bist die Königin-Jungfrau des Friedens
Und der Völker.
    Die süße Wärme in der Luft hielt an, und während ich weiterging, wärmten sich auch meine Füße, die schon taub von der Kälte des Taus im Gras gewesen waren. Um den Kreis ging ich, dann noch einmal, von einer Kraft bewegt, die nicht aus mir kam, so, wie einen die Musik beim Tanz bewegt.
    Du bist die Quelle des Mitleids,
Du bist die Wurzel des Trostes,
Du bist der lebende Strom der Jungfrauen
Und der Kindgebärenden.
    Ich beendete die dritte Runde und kam zur Quelle. Ich kniete mich ins weiche Gras, blickte auf das Schimmern des dunklen Wassers unter der Wölbung des Bornhauses und lauschte dem sanften Gurgeln, wo das Wasser über den Steinrand quoll und durch die Rinne zur Wiese floß. Um den Hals trug ich ein ledernes Band mit einer münzgroßen Bronzescheibe, in die eine Spirale eingeritzt war. Ich hatte sie in der Erde auf einem der Hügel von Temair gefunden. Sie warf ich in den Born.
    Du bist der Fluß der Gnade,
Du bist der Quell der Erlösung,
Du bist der Garten und das Paradies
Der Jungfrauen.
    Esseiltes Stimme antwortete mir.
    Du bist das Gefäß der Fülle,
Du bist der Kelch der Weisheit,
Du bist der Born des Heils
Der Menschheit.
    Da fiel eine dritte Stimme ein, und in diesem Augenblick überraschte es mich nicht, das Gesicht Mairenns der Königin zu sehen.
    Du bist die Sonne des Tages,
Du bist der Mond in der Nacht,
Du bist der Stern und der Pfad
Der Wanderer.
    Vielleicht sprachen die Stimmen der beiden danach weiter – ich weiß es nicht. Das Gurgeln des Wassers wurde in meinen Ohren immer lauter, bis ich nur noch sein Singen zu hören vermochte. Da fiel ein Strahl der aufgehenden Sonne über meine rechte Schulter auf die Wasseroberfläche. Licht flammte in der Enge des Bornhauses auf, und ich erkannte plötzlich ganz deutlich eine Dreifachspirale, die in einen der Steine gemeißelt war. Die Helligkeit brannte eine Vision auf die andere, und ich sah nichts als ein Gesicht, es war das der alten Brigid und der neuen, der Göttin des Bornes, und der Mutter Gottes…
    Als mein Bewußtsein wiederkehrte, vernahm ich die Stimmen von Esseilte und ihrer Mutter im Bittgebet:
    »Herrin von Feuer und Wasser, Herrin der Macht, breite deine starke Hand über das grüne Meer und bring ihn zu uns zurück! Heilige Brigid, bring ihn, den wir lieben, zurück!«
    ***
    Jeder schien sich leichter zu fühlen, nachdem wir unsere Andacht an der Quelle beendet hatten. Wir waren mehrere Tage Gäste des Herrn von Rath Mullingar, ehe wir uns auf den Heimweg machten, und die Königin war so heiter, wie ich sie noch nie erlebt hatte, ja sie machte sogar hin und wieder einen Scherz, daß ihre Tochter unverhohlen staunte. Auf dem Heimweg ließen wir uns Zeit und brauchten statt der drei Tage wie auf dem Hinweg vier.
    Nichts beeinträchtigte diese heitere Stimmung, bis wir Temair erreichten, und dann war es nichts weiter als ein Zaunkönig, der uns auf einem der stehenden Steine zusang. Doch der Königin Gesicht erstarrte, und ich erinnerte mich plötzlich, daß solch ein Vogel Kunde vom Tod eines großen Mannes brachte. Ich schaute mich um. Sklaven fegten den Hof, zwei Krieger saßen an der weißgetünchten Burgwand beim Würfelspiel, und ein anderer flickte

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