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Paxson, Diana L.

Titel: Paxson, Diana L. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Zauber von Erin
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getrunken hatten, seine Wirkung auf uns ausübte. Mein Puls schlug wie eine Trommel durch mein Gebein; die Luft rauschte wie Sturmwind durch meine Lunge. Die Züge des Gesichts vor uns flackerten dunkel, hell, dunkel, hell, veränderten sich.
    Die weißen Lider hoben sich, und ich starrte in die unendliche Tiefe blickloser Augen. Die grauen Lippen zogen sich von fleckigen Zähnen zurück. Die geschwollene Zunge bewegte sich.
    »Ich habe euch gehört«, erklang ein Wispern von überallher. »Ich bin zu euch gekommen. Mein Geist wanderte heimatlos zwischen Himmel und Erde. Was wollt ihr von mir?«
    »Den Namen deines Mörders, damit du deinen Frieden findest!« rief die Königin. Wir warteten, während Stille um uns pulste und das Blut in unseren Adern hämmerte.
    »Sein Name«, erklang das Wispern erneut, »sein Name ist Drustan … und jetzt gebt mich frei!«
    »Ja, mein Liebster, mein Allerliebster – mit Schätzen werden wir dich bestatten, und ich werde das Blut deines Feindes auf deinen Grabhügel gießen. Hör mir jetzt zu und trage meine Worte zu ihm und den Göttern der Anderswelt, die alle Schwüre der Menschen hören!«
    Die Königin hob das Stückchen Stahl auf, das in des Morholts Kopf gesteckt hatte, und hielt es so, daß es im Licht des niederbrennenden Feuers dunkel schimmerte.
    »So hört denn den Fluch! Beim Blut des Morholts und dem Stahl Drustans!« Die Worte der Königin hallten wie ein eherner Gong. »Über Land, über See schicke ich diesen Ruf – beim Erz, aus dem diese Klinge geschmiedet wurde, beim Blut, das daran klebt, bei der Luft, die meine Worte trägt, und beim Feuer meines Zornes rufe ich Drustan. Die Hand des Königs darf ihm nichts anhaben, doch mein Fluch wird dahinschnellen wie die Harpune eines Fischers und ihn hierherziehen!«
    Mairenns Stimme wurde tiefer. Statt die Worte zu hören, spürte ich sie, als hätten die Elemente selbst die Sätze geformt, die sie nun sprach. Esseilte streckte die Hand aus und bedeckte die ihrer Mutter, so daß das Stückchen Stahl sich zwischen ihren Handtellern befand.
    »Wenn Stück und Schwert zusammenliegen, wird sie, die vom Blut des Toten ist, das Leben seines Mörders in Händen halten. Weh ihm, der versucht, sich diesem Fluch zu entziehen, denn weder Zeit noch Entfernung werden ihn schwächen, weder Liebe noch Haß ihn wandeln. So sind die Ketten des Schicksals geschmiedet, und allein der Tod vermag sie zu brechen!«
    Ein kalter Wind wirbelte um uns. Er blies die Kerzen aus und stob Asche auf, die wie ein Geist durch die Stube huschte. Königin Mairenn begann zu lachen, wild, begeistert, und Esseiltes Lachen war ein Widerhall des ihren. Dann nahm sie das Stückchen Stahl, legte es zu ihren anderen Sachen in die Schatulle und machte sich daran, ihre Zauberhilfsmittel wegzuräumen.
    Die Wirkung des Trankes begann nachzulassen. Ich fühlte mich übel, und meine Schläfen pochten, als meldeten sich Kopfschmerzen an. Hatte der Morholt wahrhaftig gesprochen? Die Erinnerung an das tatsächlich Geschehene schwand wie Morgendunst. Ich konnte mich nur noch an den Wortlaut von Mairenns Verwünschung erinnern, und wie am Samhainabend hatte ich das Gefühl, daß sich etwas am Muster der Welt verändert hatte.
    ***
    Ein kalter Ostwind zerrte an den Umhängen und blies die Kerzen der Mönche aus. Abt Ruadan war von Clonmacnoise gekommen, die Trauermesse des Morholts zu halten, mehr um der Ehre der Kirche als des Königs willen. Ich beobachtete ihn, als er mit stolzem, festen Gesicht an der Spitze der Prozession vorüberschritt, und ich zog rasch die Kapuze meines Umhangs über den Kopf, um zu verhindern, daß er aus meinen Augen las, was wir in der vergangenen Nacht getan hatten.
    Esseilte und ich waren aufgewacht und hatten uns sogleich gewünscht, es wäre unsere eigene Beerdigung, und obwohl die Königin uns Tee gegen die schlimmste Nachwirkung des Trankes gebracht hatte, pochten meine Schläfen immer noch dumpf wie Trommeln des Schicksals. Ich hörte eine von Mairenns Damen bemerken, wie sehr Esseilte ihren Oheim geliebt haben mußte, daß sein Tod sie so mitgenommen hatte. Doch nicht des Morholts Abwesenheit, sondern seine fortgesetzte Gegenwart war schuld an unserem Unwohlsein. Vielleicht würde er in Frieden ruhen, wenn Kopf und Rumpf wieder vereint waren und er als Ganzes bestattet wurde.
    »Kyrie eleison… «, sangen die Mönche, die mit Ruadan gekommen waren. Vier Krieger von des Königs Hof trugen mit gleichmäßig wiegendem Schritt den

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