Paxson, Diana L.
wandelte sich abwechselnd in Schneeflocken und Graupel, die aus den Straßen Schlammbetten machten und die Menschen um ihre rauchenden Feuer kauernd in ihre Häuser bannten. Doch nicht das Wetter war schuld an den neuen Furchen in Diarmaits Gesicht und dem frischen Silber in seinem Bart. Kunde kam, daß man in Connachta von Curnans Sieg prahlte und davon sprach, im Frühjahr gegen Ulaid in den Krieg zu ziehen. Weder die eine noch die andere Seite würde königliche Einmischung willkommen heißen.
Aber ich achtete wenig auf dergleichen Gerüchte. Die Königin war wortkarg geworden und ihre Miene grimmig, aber zum Glück hatte sie ihre Pflichten, denen sie sich zu widmen hatte. Und vielleicht war ihr bewußt, daß sie nun, da ihr Bruder nicht mehr war, stets wachsam sein mußte, wenn sie ihre Macht nicht einbüßen wollte. Esseilte hatte nichts dergleichen. Früher hatte ich befürchtet, ihre Liebe zu ihrem Oheim könnte zu einem Skandal führen, doch nun nagte eine schlimmere Angst an mir, während ich sie nach ihrem Verlust beobachtete. Den Stunden in Kräuterkunde durch die Königin konnte sie sich nicht entziehen, doch Mairenn hatte wenig Zeit für den Unterricht. Der Geschichtenerzähler vermochte sie nicht aufzuheitern, und wenn sie mit einer Stickerei begann, legte sie sie nach den ersten Stichen bereits wieder zur Seite.
Bald nach Mittwinter bekam Esseilte eine Halsentzündung, die fiebrig wurde und zu einem Ausschlag mit Gliederschmerzen führte. Eine Woche lang saß ich an ihrem Bett und spürte, wie ihr Puls zwischen meinen Fingern galoppierte. Ich zog sie an mich, wenn sie hilflos am ganzen Leib zuckte, und ich flößte ihr Tee aus Weidenrinde ein. Sie erholte sich nur langsam, und den Husten wurde sie nicht los. Noch nie zuvor hatte ich mich so sehr nach den zunehmenden Tagen und dem neuen Leben des Frühlings gesehnt.
Am Imbolc segneten die Priester in Brigids Namen die Schiffe. Fast unmittelbar darauf wurde das Wetter besser, und zwischen den Stürmen gab es klare Tage. Die Fischer fuhren wieder aufs Meer, auch die Kaufleute wagten es, ihre Schiffe über Lers Reich zu schicken, und die Woche nach dem Fest erreichte uns Kunde, daß Kauffahrer vor Inber Colphta Anker geworfen hatten und ihre Waren feilboten.
Ich blickte Esseilte an, die so dünn geworden war, daß man sie nicht einmal mehr im Düstern für meine Zwillingsschwester halten konnte, und machte mich auf die Suche nach der Königin.
***
»Trauert das Kind immer noch?« fragte die Königin. »Sie wird es ertragen müssen, genau wie ich.« Leid sprach aus ihrer Stimme, doch ihr Gesicht verriet keine Schwäche.
»Meine Königin – habt Ihr Euch Esseiltes Gesicht am hellichten Tag angesehen? Es ist durchsichtig, als hätten die Sidhe ihr die Seelenkrankheit auferlegt. Ich habe Angst…«
»Und was erwartest du von mir?« fragte Mairenn bitter. »Meine Magie hat versagt. Wenn die Mittel, die ich für sie gemischt habe, ihr nicht helfen, weiß ich nicht mehr, was ich noch versuchen könnte.«
»Wir waren hier den ganzen Winter eingesperrt. Selbst der Klatsch ist restlos aufgebraucht. Aber man erzählt, daß die Kaufleute angekommen sind. Ich dachte, vielleicht wenn sie etwas Neues hätten, etwas, das sie ablenken könnte…«
Die Königin hob eine ausgezupfte Braue. Wenn sie dachte, daß auch ich aus Temair hinaus wollte, nun, dann hatte sie vielleicht gar nicht so unrecht. Doch was ich ihr über Esseilte gesagt hatte, stimmte ebenfalls, und es war uns beiden klar, daß alles versucht werden mußte, was ihr möglicherweise helfen könnte.
Esseilte gab matt zu bedenken, daß die rauhe Luft ihren Husten verschlimmern würde, doch sie kam nicht gegen den Willen der Königin und meinen an. So ritten wir an einem hellen Morgen los, als die Sonne sich in Regenlachen spiegelte, auf den blanken Geschirrteilen und den Speerspitzen unserer Begleiter blitzte und das Kreischen zurückkehrender Wasservögel zu hören war. Die ersten paar Stunden saß Esseilte zusammengesunken im Sattel und weigerte sich, auch nur einen Blick auf die heitere Welt ringsum zu werfen. Doch als wir von der Straße zu dem Rath abbogen, wo wir die Nacht zubringen würden, konnte sie es nicht mehr erwarten, endlich aus dem Sattel zu kommen, und sie spähte eifrig voraus. Eine Ente wurde durch unser Näherkommen abgelenkt, und das Wasser spritzte hoch auf, als sie unsanft im Teich aufsaß – da lachte Esseilte.
Am zweiten Abend erreichten wir die Ortschaft an der
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