Peacemaker
er die Zünder einfach herauszog, bestand die Gefahr, dass der Sprengsatz explodierte. Wenn dem so wäre, würde die Druckwelle seine Organe verflüssigen und ihn in ungefähr einer Zehntausendstelsekunde töten.
Für eine eingehende Untersuchung des Sprengsatzes war keine Zeit. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass das Durchschneiden der Kabel die Bombe entschärfen würde.
Ohne zu zögern, streckte er die Hand aus und zwickte das Kabel durch.
Einen Augenblick später wurde ihm bewusst, dass er noch am Leben war.
»Ich habe die Warterei satt«, sagte Timken. »Ich ziehe Sie jetzt zur Aufnahmevorrichtung hoch.«
»Warten Sie«, sagte Gideon und schnitt das zweite Kabel durch.
»Nein! Ich warte nicht! Ziehen Sie sie hoch, Prejean.«
»Ich kann immer nur einen hochziehen«, erwiderte Big Al.
»Dann ziehen Sie Gideon als Erstes hoch.«
Gideon drehte sich wütend zu Kate um. Er deutete auf die Sprengsätze und machte eine schneidende Bewegung mit dem Seitenschneider, dann deutete er auf sie.
Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Kate«, sagte er und gab sich Mühe, ruhig zu klingen.
Er versuchte, noch ein Kabel durchzuschneiden, ehe Big Al ihn hochzog, doch dann spürte er einen Ruck und bewegte sich durch das dunkle Wasser nach oben, bevor sich die Backen des Seitenschneiders schlossen.
Es gab nichts, was er noch hätte tun können. Er ließ den Seitenschneider los, dessen gelbe Gummigriffe einem unsteten Weg durchs Wasser folgten, als dieser langsam trudelnd aus seinem Blickfeld verschwand, während das Licht seiner Stirnlampe in der Tiefe verblasste.
Kate griff nach dem Seitenschneider, doch Gideon sah nicht mehr, ob sie ihn zu fassen bekam oder nicht. Sie war von der Dunkelheit verschluckt worden.
Major Royce hielt sich im Cockpit der C-17 am Instrumentenbrett fest, um von dem brutalen Rütteln des Flugzeugs nicht zu Boden geworfen zu werden, während er den Radarschirm beobachtete. Das Auge des Sturms würde über die Obelisk hinwegziehen. Aber nur ganz knapp.
»Was denken Sie?«, fragte Major Royce den Meteorologen, den sie sich von der Blue Ridge ausgeliehen hatten, dem Führungsschiff der Siebten Flotte. »Wie groß ist unser Zeitfenster?«
»Meinen Sie den optimalen Punkt, wenn der Wind ganz abflaut? Vielleicht zehn, fünfzehn Minuten.« Der Meteorologe war Oberleutnant zur See und offenbar noch nie durch einen Taifun geflogen, da er völlig verängstigt wirkte. Er war bereits etwa fünfmal zur Toilette getaumelt. Die Deltas grinsten, als sie ihn würgen hörten. Royce tat der junge Mann leid. Er selbst hatte im Lauf der Jahre einige ruppige Flüge erlebt, aber keinen wie diesen.
Royce sah auf die Uhr. Sie befanden sich in der Zeitzone »Golf«. Nach Ortszeit war es sieben Uhr dreizehn. »Werden wir es schaffen, Colonel?«, fragte er die Pilotin, Colonel Laurie Hills, deren unerschütterliche Ruhe und besänftigende Stimme sie zu einem geschätzten Teammitglied machten.
»Wir werden ankommen, bevor die Bombe hochgeht. Die Frage ist nur: Wird das Auge des Sturms rechtzeitig da sein?«
Royce warf einen Blick auf den Meteorologen. »Wo befindet sich das Auge jetzt, Lieutenant?«
»Entschuldigen Sie, Sir«, sagte der Navy-Mann. »Ich muss wieder auf die Toilette.«
Großartig, dachte Royce, als der Meteorologe an ihm vorbeieilte, um sich zu übergeben.
Kate fühlte sich wieder besser, war aber noch weit von ihrer Normalform entfernt. Selbst unter den besten Umständen trat in dieser Tiefe eine leichte Stickstoffnarkose auf. Und sie spürte noch die Nachwirkungen dessen, was sie soeben durchgemacht hatte.
Sie griff nach dem Seitenschneider, doch er rutschte ihr durch die Finger und verschwand in der Finsternis wie ein kleines skurriles Wasserlebewesen, das zum Meeresgrund taucht, um Krabbenkadaver zu fressen.
Kate betrachtete die zwölf umgedrehten Trinkbecher, dann sammelte sie die letzten Kräfte, die noch in ihren zittrigen Gliedmaßen steckten, und tauchte dem sinkenden Werkzeug hinterher.
NEUNUNDDREISSIGSTES KAPITEL
»Sir! Sir!«
Timken drehte sich um und sah seinen Sprengexperten Rashid Richtung Tauchstation stürmen.
Timken hatte üble Laune. Er war seit einer halben Stunde hier draußen, wurde angeregnet und vom Wind durchgerüttelt. Und jedes Mal, wenn dieses gewaltige Dröhnen die Bohrinsel erzittern ließ, hatte er das Gefühl, seinem Grab einen Schritt näher zu kommen. »Was machen Sie hier?«, fragte
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