Peacemaker
wäre. Das übel riechende Wasser brannte in seinen Augen, als er sie öffnete. Über ihm schien grell die Sonne und war selbst durch das trübe, beißende Wasser zu erkennen. Er schloss die Augen und zählte weiter.
SECHSTES KAPITEL
Bei zwölftausend machte Gideon die Augen wieder auf. Noch immer sickerte blasses Licht durchs trübe Wasser, doch die Sonne stand inzwischen tiefer. Er schloss die Augen und atmete und zählte weiter.
Als er die Böschung erklomm, zitterte er vor Kälte. Er legte sich ein paar Minuten lang keuchend auf die trockene Erde, ehe er sich schließlich auf die Knie kämpfte. Die Lufttemperatur betrug vermutlich gut dreißig Grad, doch das Wasser war kalt genug gewesen, um seine Körpertemperatur merklich zu senken. Gideon zitterte so heftig, dass er befürchtete umzufallen, wenn er aufstand. Allerdings wusste er, er musste sich in Bewegung setzen – zum einen, um sich von dem Ort des Überfalls zu entfernen, zum anderen, um sich aufzuwärmen.
Er ging langsam am Straßenrand entlang. Sein Smoking war tropfnass und stank. Dung schien hier das bevorzugte Düngemittel zu sein. Gideon lächelte schwach. Fünfzehn Stunden zuvor war er bester Laune gewesen und hatte im Rampenlicht gestanden. Und jetzt war er hier, schlich in einem vergessenen Teil der Welt umher, absurd gekleidet und nach Exkrementen stinkend.
Was ihn am meisten überraschte, war, wie gut er sich fühlte. Nicht nur gut, sondern wunderbar, herrlich lebendig. Warum? , fragte er sich. Handelte es sich dabei um eine natürliche Reaktion, um Endorphine, die verrückt spielten, nachdem er beinahe getötet worden wäre? Oder war es etwas anderes? Gideon hatte nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken. Kaum war er ein paar Meter gegangen, als er etwas auf sich zukommen hörte. Ein Rascheln im hohen Gras. Er ging in die Hocke. Das Geräusch kam näher. Ein Wachposten? Ein Farmer? Plötzlich wich das Rascheln einem wütenden Gebell. Ein Hund. Sein Herz begann zu rasen. Der Hund klang wie ein Monster.
Gideon war klar, dass der Hund ihn erwischen würde, wenn er wegrannte. Es war besser, sich für einen Kampf zu wappnen. Er hob einen Ast auf, der von einem Baum in der Nähe gefallen war, und bereitete sich auf die Konfrontation vor.
Aufgrund der Lautstärke und der Tonlage des Bellens hatte er sich ein riesiges, geiferndes Ungeheuer vorgestellt, einen Mastiff oder Dobermann. Deshalb musste er lachen, als er einen kleinen Mischling auf die Lichtung stürmen sah. Allerdings befürchtete er, das wütende Bellen des Hundes könnte die unerwünschte Aufmerksamkeit eines Dorfbewohners erregen.
Er bückte sich und streckte die Hand aus.
Der Hund blieb stehen, bellte ihn noch ein paarmal zaghaft an, dann kam er vorsichtig auf ihn zu. Schließlich schnüffelte er an seiner Hand. Ein kurzes Schnüffeln, dann schüttelte er sich, als versuche er, den Gestank abzuschütteln.
»Ich weiß schon …« Gideon streichelte dem Hund den Kopf. »Ich stinke wie ein Ziegenfurz.«
Der Hund drehte eine schnelle Runde um ihn.
Gideon beschloss, dass er sich besser in Bewegung setzen sollte. Obwohl der Hund inzwischen nur noch ein atemloses Hecheln von sich gab, würde womöglich jemand kommen, um nachzusehen, was los war. Er marschierte auf der Straße weiter, so schnell es ging, ohne dabei Lärm zu verursachen. Der Hund trottete hinter ihm her. Der Wall, auf dem die Straße verlief, erstreckte sich so weit er sehen konnte. Und das war nicht sehr weit. Er erinnerte sich jedoch, in der Ferne eine Wand aus Bäumen gesehen zu haben, und war zuversichtlich, unentdeckt bleiben zu können, wenn er es bis in den Dschungel schaffte.
Während er die Straße entlangging, fuhr zweimal ein Auto vorbei. Er musste beide Male über die Böschung in den übel riechenden Schlamm des angrenzenden Reisfelds flüchten. Das erste Fahrzeug raste einfach an ihm vorbei. Das zweite bremste jedoch ab und blieb schließlich ganz stehen. Er hörte barsche Stimmen, dann sprang jemand aus dem Wagen.
Klick.
Das Geräusch eines Gewehrs, das gespannt wurde. Vermutlich eine Kalaschnikow. Dschihadisten? Wahrscheinlich. Gideon fröstelte. Ihm war noch immer nicht auch nur annähernd warm.
Schritte, die sich ihm näherten. Gideon presste sich gegen die Straßenböschung. Er zog in Betracht, sich wieder ins Wasser gleiten zu lassen, befürchtete jedoch, dass sie ihn hören würden. Deshalb blieb er einfach gegen die warme Erde gepresst liegen, was seinen zitternden Körper
Weitere Kostenlose Bücher