Peacemaker
beruhigte.
Plötzlich verstummten die Schritte und wurden von einem heiseren Lachen abgelöst. Dann ein dumpfer Schlag und ein Jaulen.
Gideon brauchte einen Moment, bis er begriff, was geschehen war. Einer der Männer hatte dem armen Tier offenbar einen Tritt versetzt. So gerne Gideon den Mann ebenfalls getreten hätte, er rührte sich nicht von der Stelle.
Türen wurden zugeschlagen, und das Fahrzeug fuhr los. Seine durchdrehenden Reifen wirbelten Schotter auf.
Gideon wartete, bis der Motorenlärm verklungen war, bevor er die Böschung hinaufkletterte. Der Hund lag winselnd auf dem Boden.
»Alles in Ordnung, mein Junge?« Er bückte sich und streichelte dem Hund die Flanke, der sich daraufhin langsam erhob, ihm die Hand leckte und in Richtung der Bäume humpelte. »Mir geht es auch nicht viel besser«, sagte Gideon leise.
Die Wand aus Bäumen, deren Wipfel silbrig schimmerten, war jetzt zu erkennen. Der Mond ging allmählich auf. Das war gut. Mit etwas Licht würde er besser vorankommen.
Als er die Bäume erreichte, stand der Mond bereits am Himmel. Vollmond. Es war so hell, dass jedes Blatt, jeder Stein und jeder Grashalm zu erkennen war.
Der Hund folgte ihm, als er den Dschungel betrat, und hinkte tapfer hinter ihm her. Gideon drehte sich um, ging in die Hocke und tätschelte ihm den Kopf. »Okay, Hinkebein, es wird Zeit, nach Hause zu gehen.«
Der Hund rührte sich nicht vom Fleck und blickte mit flehenden schwarzen Augen zu ihm auf.
»Geh nach Hause!« Gideon schnippte mit den Fingern und deutete auf die Ortschaft. »Geh!«
Der Hund legte den Kopf auf die Seite, blinzelte und starrte ihn unverwandt an. Gideon richtete sich wieder auf und ging tiefer in den Dschungel. Der Hund folgte ihm schwanzwedelnd.
Sie marschierten mehrere Stunden lang gemeinsam dahin, Mann und Hund.
Dann verschwand der Hund ebenso plötzlich zwischen den Bäumen, wie er aufgetaucht war. Es war albern, aber sobald Gideon bewusst wurde, dass der Hund nicht mehr zurückkommen würde, stieg Angst in ihm auf.
SIEBTES KAPITEL
Kate Murphy stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als der Sikorsky Sea King auf dem Deck der Obelisk aufsetzte. Sie hatte im Flugzeug nicht gut geschlafen, war erschöpft, nachdem sie in Washington Rede und Antwort hatte stehen müssen, und machte sich Sorgen wegen der schwerwiegenden Probleme, die in letzter Zeit auf ihrer Bohrinsel aufgetreten waren. Die Schwingungsdämpfung musste dringend repariert werden. Zu allem Überfluss funktionierte ihr BlackBerry immer noch nicht.
Doch die Luft beruhigte ihre Nerven: Kerosin und Salzwasser. In Washington hatte sie sich eingeschüchtert und fehl am Platz gefühlt. Hier, mitten im Südchinesischen Meer, wusste sie zumindest, womit sie es zu tun hatte.
Sofort nachdem sie das Deck der Obelisk betreten hatte, sah sie den Bohrmeister, Big Al Prejean, ihre Nummer zwei auf der Bohrinsel. Er war ein Bär von einem Mann, etwa zwanzig Jahre älter als sie, und im Moment machte er einen nicht gerade glücklichen Eindruck.
»Hast du meine Nachrichten bekommen, Chérie ?«, rief er ihr zu und schützte sein Gesicht mit einem Klemmbrett vor herumfliegendem Abfall. Big Als Cajun-Akzent war trotz des Getöses des Helikopters unverkennbar.
Die Welt, in der Kate arbeitete, war eine absolute Macho-Welt. In all den Jahren, seit sie auf Bohrinseln ihren Lebensunterhalt verdiente, hatte sie nie jemandem gestattet, sie »Baby« oder »Schätzchen« zu nennen. Außer Big Al. Er war eine Ausnahme. Er war nicht nur eine Legende in der Ölbohrbranche, sondern auch ihr bester Freund. Deshalb erlaubte sie ihm, dass er sie Chérie nannte, obwohl sie seine Vorgesetzte war.
»Mein BlackBerry ist im Eimer«, erwiderte sie. »Ich habe überhaupt keine Nachrichten bekommen.«
Kate war zusammen mit einigen Schweißern geflogen, die jetzt mit ihrer Ausrüstung die Treppe hinunterstiegen. Prejean wartete, bis der Letzte von ihnen unter Deck verschwunden war, bevor er sagte: »Ich hatte mich schon gewundert, warum du mich nicht zurückgerufen hast.«
»Weshalb zurückgerufen?«, fragte Kate.
»Spürst du es etwa nicht?«
Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen neugierig an und war gerade im Begriff, ihn zu fragen, wovon er sprach, als sie durch die Sohlen ihrer Stiefel ein Vibrieren spürte. Ein Beben, das so leicht war, dass es niemand, der nicht einen Großteil seiner Zeit auf Bohrinseln verbrachte, wahrgenommen hätte. Dann hörte es auf. Setzte wieder ein. Nicht besonders stark, aber
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