Peacemaker
Monkey keinen Vorwurf machen konnte. Das war nicht seine Schuld. Trotzdem spürte er einen Anflug von Wut. »Sie bringen mich den ganzen Weg hierher, und jetzt lassen Sie mich einfach sitzen?«
Monkey warf ihm einen Blick von der Seite zu. »Was erwarten Sie denn? Sie wollten mich umbringen.« Er deutete auf den grünen Streifen Dschungel an der Oberkante der Felswand. »Wir haben ein Sprichwort … Wo der Fluss endet, endet auch Allahs Macht.«
»Und was genau bedeutet das?«
Monkey starrte die hohe Felswand hinauf. »Die Menschen da oben, das sind keine Menschen. Keine Menschen wie Sie und ich. Sie haben keine Regeln, keine Gesetze, kein Richtig und Falsch. Keinen Gott.«
»Kennen Sie wenigstens jemanden, der mich da hinaufbringen könnte?«
»Wenn Sie Geld hätten, vielleicht …«
»Mein Bruder hat Geld.«
»Ich sehe Ihren Bruder aber nirgends.« Monkey schien ziemlich zufrieden mit dem Dilemma zu sein, in dem Gideon sich befand.
»Kommen Sie schon«, sagte Gideon. »Helfen Sie mir. Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
Monkey starrte nach wie vor zum Dschungel hinauf. »Tun Sie, was ich tun werde. Fahren Sie flussabwärts und hoffen Sie, dass Sie es bis nach Kota Mohan schaffen, ohne getötet zu werden.«
Gideon kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. »Nachdem ich so weit gekommen bin, werde ich nicht mehr umkehren.«
Monkey schüttelte den Kopf, als wollte er sagen, er werde nicht mehr versuchen, Gideon von dessen selbstmörderischem Plan abzubringen, dann deutete er auf eine Klampe am Pier. »Machen Sie uns am Pier fest. Vielleicht dolmetsche ich und helfe Ihnen, jemanden zu finden.«
Gideon hatte in Alun Jong eines der Taue durchgeschnitten, doch am Bug lag zusammengerollt noch ein weiteres. Er nahm das Ende davon in die Hand und stieg auf den Pier, der sich schwammig unter seinen Füßen anfühlte, als faulte er von innen nach außen. Als Gideon das Bambus-Deck ganz vorsichtig betrat, da er befürchtete durchzubrechen, hörte er ein Dröhnen. Er wirbelte herum und sah, wie Monkey den Gashebel nach hinten riss. Bevor Gideon zurück aufs Boot springen konnte, hatte sich dieses bereits vom Pier entfernt. Monkey lachte, als er zurückstieß.
Gideon versuchte, das Seil festzuhalten, doch das Boot war stärker als er, und das Seil rutschte ihm durch die Hände, verbrannte ihm die Finger und die Handflächen und fiel schließlich ins Wasser.
»Wenn Sie mir das nächste Mal ein Messer an den Hals halten …« Der Rest von Monkeys Drohung wurde vom Lärm der Mercury-Motoren übertönt. Er drehte das Steuerrad und rammte den Gashebel wieder nach vorne. Das Boot riss ein rundes Loch ins Wasser und beschleunigte flussabwärts. Eine halbe Minute später war es verschwunden, und der Motorenlärm verlor sich im Donnern des Wasserfalls.
Gideon drehte sich um und warf einen Blick auf die Ortschaft. Er würde jemanden anheuern müssen, der ihn nach Kampung Naga brachte. Wie er das allerdings ohne Geld bewerkstelligen sollte, war ihm nicht ganz klar. Aber ihm würde schon irgendetwas einfallen. Schließlich hatte er keine andere Wahl.
Er ging durch die winzige Ortschaft, die seltsam leer war. »Hallo?«, rief er. »Ist jemand da?«
Keine Antwort. Genau genommen war überhaupt kein Geräusch zu hören. Die Ortschaft war verlassen. Die Dächer der Hütten hingen durch. Einige waren niedergebrannt worden.
Gideon wurde bewusst, dass er großen Hunger hatte. Fast ein ganzer Tag war vergangen, seit er das letzte Mal etwas gegessen hatte. Er durchsuchte die Hütten und fand schließlich eine Obstkonserve, die auf einem verfaulten Regal stand. Er riss den Deckel der Dose auf und schlang die Pfirsiche gierig hinunter. Doch anstatt seinen Hunger zu stillen, machten sie seinen Appetit noch größer.
Er suchte nach mehr Essbarem, fand jedoch nichts und überlegte mit einem Anflug von Galgenhumor, dass er sich bessere Methoden hätte vorstellen können, um die zehn Pfund, die er in Kolumbien zugelegt hatte, wieder loszuwerden.
Als er das Ende der Ortschaft erreicht hatte, sah er einen schmalen Pfad, der zu der Felswand führte und von Lianen und schnell wachsenden Dschungelpflanzen völlig zugewuchert war. Er bahnte sich einen Weg durch die Vegetation, dann begann er den Aufstieg. Im Gehen warf er immer wieder einen Blick auf die Landkarte, die General Prang ihm gegeben hatte. Der rote Kreis starrte ihn förmlich an: Kampung Naga, der Ort, der nicht existierte.
Aus der Ferne hatte die Felswand weiß ausgesehen. Als
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