Peacemaker
Timken heraus, dass er denselben Namen hatte wie ein Hersteller von Kugellagern. Er war von seiner Militäreinheit zu einer Waffen-Fachmesse geschickt worden, wo er einen Messestand entdeckte, der seinen Namen trug. Die Mitarbeiter, die den Stand betreuten, hatten auf einen Tisch eine Glasschale mit Kugellagern gestellt. Jedes dieser Kugellager besaß eine Lasergravur mit seinem Namen.
»Halbzoll-Lager aus hochfestem 62100er Präzisionsstahl mit Rockwellhärte 59«, hatte ihm der hilfsbereite Verkäufer erklärt. »Jedes einzelne davon hat eine garantierte Toleranz von maximal plus/minus drei Zehntausendstel.«
Timken hatte einen Blick in die Schale geworfen und sein Gesicht hunderte Male in einem Miniatur-Spiegelkabinett reflektiert gesehen. Irgendetwas an den Kugellagern – ihre Schlichtheit, Härte und Regelmäßigkeit – hatte ihm ein flüchtiges Wohlgefühl bereitet. Er hatte in die Schale gegriffen und eine Handvoll Kugellager herausgenommen.
»Sir, wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Sie bitten, sich mit einem oder zwei zu begnügen«, hatte der hilfsbereite Verkäufer angemerkt.
Timken hatte ihn daraufhin mit »dem Blick« bedacht.
»Na ja, ich nehme an, das geht schon in Ordnung«, hatte der Verkäufer daraufhin mit einem gezwungenen Lächeln hinzugesetzt. »Welche Verwendung haben Sie denn dafür im Sinn?«
»Ich werde sie in eine Socke stecken und damit jeder neugierigen Schwuchtel so lange in die Fresse schlagen, bis sie ihr verdammtes Maul hält.«
Das gezwungene Lächeln des Verkäufers war nicht verschwunden. Anschließend hatte er jedoch einfach über Timkens Schulter hinweggeblickt, als wäre dieser gar nicht da.
Inzwischen war Timkens Name auf den winzigen, glänzenden Kugellagern nicht mehr zu erkennen, und er vermutete, dass sich ihre Größe nicht mehr innerhalb der Toleranz von plus/minus drei Zehntausendsteln bewegte. Trotzdem erfüllten sie nach wie vor voll und ganz ihren Zweck. Er konnte sie in die Hosentasche stecken oder in einen Aktenkoffer packen. Er konnte sie mit an Bord nehmen, ohne dass die bescheuerten Flughafen-Sicherheitsbeamten sie konfiszierten. Er konnte sie überallhin mitnehmen. Wenn er sie brauchte, steckte er sie in eine Tüte oder in eine Socke oder in ein zusammengeknülltes T-Shirt. Und wenn er jemanden damit schlug, fiel dieser zu Boden und bewegte sich nicht mehr.
Timken trug die Kugellager seit jenem Tag stets in der Hosentasche mit sich herum. Abgesehen von den sechs Monaten, die er in Leavenport abgesessen hatte, nachdem er General Rowbothom niedergeschlagen hatte – eine kleine Fehlentscheidung, die seiner vielversprechenden militärischen Laufbahn ein Ende gesetzt hatte.
Sein Leben wäre ziemlich den Bach hinuntergegangen, hätte ihn nicht ein Mann aus dem Dreck gezogen, der die seltsame Natur seiner Talente zu schätzen wusste. Ein Mann, der verstand, dass eine großartige Nation manchmal dunkle und hässliche Dinge tun muss und dass man auf Orville Timken zählen konnte, wenn es solche Dinge zu erledigen galt.
Ein Mann namens Earl Parker.
DREIZEHNTES KAPITEL
Wasser stürzte donnernd von der U-förmigen Felswand, die vor Monkeys Boot emporragte. Das Sonnenlicht erfasste die Gischt des Wasserfalls und brach sie zu einem bunt leuchtenden Regenbogen. Wären die Umstände anders gewesen, dachte Gideon, hätte sich die Szenerie als Postkartenmotiv für ein idyllisches tropisches Urlaubsresort geeignet.
Monkey drosselte die Motoren. Auf einer Seite des Wasserfalls war ein winziger Streifen Strand zu sehen, von dem ein Bambus-Pier ins Wasser ragte. Dahinter befand sich eine kleine Ansammlung von Grashütten.
»Hält sich dort mein Bruder auf?«, fragte Gideon.
Monkey schüttelte den Kopf und deutete: »Da oben.« Die weiße Felswand erstreckte sich ohne Unterbrechung in beide Richtungen, so weit das Auge reichte. Es hatte den Anschein, als sei die gesamte Erdoberfläche in zwei Teile zerbrochen, die sich übereinandergeschoben hatten. Die Felswand musste fast dreihundert Meter hoch gewesen sein und war von einem schmalen grünen Streifen Dschungel gekrönt.
»Wie komme ich da hoch?«
»Indem Sie klettern«, entgegnete Monkey.
»Klettern?«
Monkey zuckte mit den Schultern, legte mit dem Boot an dem wackeligen Bambus-Pier an und schaltete die Motoren aus.
»Wissen Sie wenigstens, wo der Weg hinaufführt?«
»Nein«, sagte er und fügte rasch hinzu: »Und ich werde es auch nicht rausfinden.«
Gideon war sich darüber im Klaren, dass er
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