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Peacemaker

Peacemaker

Titel: Peacemaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Gordon
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keine Bilder, nichts, was einem etwas über die Person verraten hätte, die hier lebte. Es hätte sich ebenso gut um ein Hotelzimmer oder ein monatsweise vermietetes Apartment in einer fremden Stadt handeln können.
    Dann ertappte er sich dabei, dass er ins Gästezimmer ging und in den beinahe leeren Wandschrank sah. Ganz hinten in dem Wandschrank lag die Dose, auf deren Deckel mit dickem Filzstift »Für meine Jungs« geschrieben stand. Darin befand sich eine kleinere, ältere Schachtel, die nach all den Jahren abgegriffen und verknittert war. Er nahm sie mit ins Schlafzimmer und stellte sie mitten aufs Bett.
    Er starrte die Schachtel lange an, ehe er sie öffnete.
    Sie enthielt mehrere Packen Fotos, die jeweils von einem brüchigen Gummiband zusammengehalten wurden. Die Fotos in dem ersten Stoß zeigten seinen Vater als Kind und als sehr jungen Mann. Gideons Vater als Teenager mit nach hinten gegeltem Haar, der grinsend neben einem Chevy aus den frühen 1960er-Jahren stand. Gideon fiel auf, dass er seinen Vater niemals so hatte lächeln sehen. Ein breites, verschmitztes Grinsen. Die wenigen Male, die er seinen Vater hatte lächeln sehen, hatte es sich um ein hartes, widerwilliges und leicht verbittertes Lächeln gehandelt.
    Der nächste Stoß enthielt Fotos, die seinen Vater und seine Mutter zeigten. Und wieder wirkten sie so … glücklich . Gideon konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. Sein Vater im Smoking mit einer absurden Ansteckblume, seine Mutter lachend, den Kopf in den Nacken geworfen, den Mund weit aufgerissen. Auf einem anderen Foto schmiegte sie sich an seinen Vater, der die Arme um sie legte, als wollte er sie vor aller Hässlichkeit der Welt beschützen. Er hatte die beiden nie so glücklich erlebt. Vor allem nicht zusammen. Nicht ein einziges Mal.
    Beim nächsten Stoß handelte es sich um Marine-Corps-Fotos. Das oberste zeigte einen jungen Mann, der stolz in seiner Paradeuniform posierte. Einiges deutete darauf hin, dass es unmittelbar nach der Grundausbildung aufgenommen worden war. Es folgten weitere Fotos aus seiner Zeit als Marinesoldat, von denen ihn eines Arm in Arm mit Onkel Earl zeigte, der, wie Gideon plötzlich bewusst wurde, vermutlich die meisten dieser Fotos gemacht hatte. Gideon las die jeweilige Beschriftung auf der Rückseite, als er sich langsam durch den Stapel arbeitete. Der Großteil der Fotos war Anfang 1965 entstanden. Die ersten waren in den Vereinigten Staaten aufgenommen worden, die späteren ganz offensichtlich in Vietnam. Doch auf jedem Bild war derselbe grinsende junge Mann zu sehen.
    Abgesehen vom letzten Foto. Gideon erkannte ihn darauf kaum wieder. Es handelte sich um denselben jungen Mann … aber irgendwie auch nicht. Das lag nicht nur daran, dass er unrasiert war, dass seine Uniform abgetragen und verdreckt aussah und sein linkes Bein und sein Oberkörper bandagiert waren. Irgendetwas in den Augen des jungen Mannes war dafür verantwortlich, eine Düsterkeit, die Gideon nur zu gut kannte.
    Sein Blick war finster und abwesend – Wut, verborgen hinter einer harten, ausdruckslosen Fassade. Der junge Soldat hatte ein M-60-Maschinengewehr in beiden Händen, das er mit derselben sanften, liebevollen Vertrautheit hielt, die Gideon an seinem Vater immer aufgefallen war, wenn er mit seinen Gewehren hantierte.
    Das ist der Mann, den ich kenne, dachte Gideon.
    Es handelte sich um das letzte Foto des Stapels. Er drehte es um: 1966. Innerhalb eines Jahres hatte sich der grinsende junge Mann in das verwandelt.
    Gideon öffnete sie. In der Schachtel lag eine kleine sternförmige Medaille an einem blassblauen Band.
    Er wusste, worum es sich handelte, wusste es sofort, und trotzdem konnte er es nicht glauben.
    Auf der Medaille lag ein vergilbtes, zusammengefaltetes Stück Papier. Er faltete es auseinander und las, was darauf stand, dann las er es ein zweites und ein drittes Mal.
    Als er fertig war, griff er zum Telefon und wählte die letzte Nummer, die er von Tillman hatte. Ein Mann nahm den Anruf entgegen, aber das Rauschen in der Leitung war so stark, dass seine Stimme fast nicht zu hören war.
    »Tillman?«, sagte Gideon. »Kannst du mich hören, Tillman?«
    Die Stimme des Mannes ging im Rauschen unter, doch Gideon war so aufgeregt, dass er es kaum erwarten konnte, seinem Bruder zu berichten, was er gefunden hatte.
    »Ich habe die Dose aufgemacht, die Dad uns hinterlassen hat.«
    Erneut Rauschen in der Leitung.
    »Hör dir das an«, sagte er, ohne zu wissen, ob er

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