Pearl Harbor
Fotograf aus Honolulu war gekommen, um Bilder von ihnen zu machen.
Weihnachten nahte. Es war Zeit, ein Foto nach Hause zu schicken.
Nicht weit von Honolulu lag Hickam Field, der Stützpunkt der Bombergruppe der Armee. An Wochentagen herrschte hier um diese Zeit schon Hochbetrieb. Maschinen starteten, Motoren heulten auf, Tankwagen jagten über die Pisten, und die Besatzungen gruppierten sich um ihre Maschinen. Heute standen die Flugzeuge einsam am Rande der Rollbahn. Zwölf neue B-17, von denen allerdings nur die Hälfte einsatzbereit waren, weitere zwölf A-20-Bomber, mehr als dreißig der hoffnungslos veralteten B-18, mit denen sich viele Piloten kaum mehr in die Luft trauten.
Im Kontrollturm des sonst stillen Flugplatzes hatten sich eine Anzahl Offiziere versammelt, unter ihnen der Kommandeur von Hickam Field, Colonel William Farthing. Man war zusammengekommen, um die neue Staffel B-17 zu begrüßen, die heute früh aus San Franzisko ankommen sollte. Die B-17 war die große Hoffnung der Flieger. Sie war mit Abstand das modernste und leistungsfähigste Flugzeug, über das die USA gegenwärtig verfügten.
Colonel Farthing dachte in diesem Augenblick nicht an eine Angelegenheit, die nun mehr als vier Monate zurücklag. Anfang August hatte er eine Denkschrift verfaßt und dem Kriegsministerium eingereicht. Damals hatte er Überlegungen angestellt, was wohl geschähe, wenn der schwe lende Konflikt mit den Japanern offen zum Ausdruck käme. Für ihn war klar, daß die Japaner versuchen würden, Pearl Harbor anzugreifen.
Farthing war über die Zahl und Leistungsfähigkeit der japanischen Flugzeugträger genau unterrichtet. Diese Kenntnis und eine gründliche In spektion der Lage auf Oahu hatten ihn bereits im Sommer dazu bewogen, dem Kriegsministerium seine Befürchtungen mitzuteilen. Er hatte einen logisch sehr einleuchtenden Bericht verfaßt, aus dem hervorging, daß die Lage in Pearl Harbor jeden Angreifer, so auch die Japaner, geradezu verleiten mußte, einen Überraschungsangriff zu riskieren. Nach
Farthings Vermutung, und auch das hatte er in seiner Denkschrift ausführlich erläutert, würden sie früher oder später versuchen, mit Flugzeugträgern und Landungsfahrzeugen von Norden her die Hawaii-Inseln anzugreifen. Sie würden den Weg durch den unbefahrenen Nordpazifik nehmen, weil sie dort gegen eine vorzeitige Entdeckung gesichert wären. Nach Farthings Vermutung würden sie für den Angriff die frühen Morgenstunden wählen, weil sie die Nacht zur Annäherung an das Objekt ausnutzen könnten. Nach einem ausgedehnten Luftangriff würden sie versuchen, Truppen zu landen.
Farthing hatte dem Kriegsministerium vorgeschlagen, geeignete Abwehrmaßnahmen zu treffen. Er befürwortete ein System von Verteidigungsstellungen an den Küsten, einen regelmäßigen Luftaufklärungsdienst und ausgedehnte Kontrollfahrten von Zerstörergruppen im nördlichen Pazifik. Heute, vier Monate nach Abfassung seines Berichts, hatte Farthing lediglich eine Bestätigung in der Hand, daß sein Schreiben eingegangen sei. Er wußte nicht, daß es längst in einem der unergründlichen Aktenschränke des Kriegsministeriums abgelegt worden war. Er ahnte nicht, daß seine Befürchtungen, die er in jener Denkschrift erwähnt hatte, sich binnen weniger Minuten in erschreckender Weise bestätigen würden.
In Wheeler Field, dem Luftstützpunkt der Armee, auf dem die Jagdflugzeuge stationiert waren, herrschte ebenfalls Ruhe. Die sechzig neuen P-40-Maschinen waren vor den Hangars aufgestellt, säuberlich aus-Die getroffene »CaIifornia«
gerichtet, wie zu einer Parade. Von den Piloten war noch keiner zu sehen. Es war kein regulärer Flugbetrieb angesetzt.
Etwas weiter nördlich, in der Schofield-Kaserne, waren nur die ausgesprochenen Frühaufsteher auf den Beinen. Am Sonntag konnte jeder frühstücken, wann und wo er Lust hatte. Wer von den Soldaten am späten Abend o der am frühen Morgen noch heimgekehrt war, lag im Bett und schlief seinen Rausch aus. Die 24. und 25.
Infanteriedivision, die hier untergebracht waren, hatten in der vergangenen Woche eine anstrengende Feldübung durchgeführt. Selbst die Offiziere waren der Meinung, daß man diesen Sonntag einmal so ruhig wie möglich verlaufen lassen sollte.
In Fort Shafter begaben sich die ersten Offiziere zur Kirche. In Bellows, einem kleinen Armeeflugplatz an der Ostküste, waren zwei Staffeln Jagdflugzeuge vor die Hangars gefahren worden. Die Besatzungen hatten dienstfrei. Die meisten
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