Pearl Harbor
fuhren mit Omnibussen zur Küste, um zu angeln.
Etwas weiter nördlich, in Kaneohe, dem Stützpunkt der Marineluftwaffe, schaukelten dreißig PBYs auf dem Wasser. Drei der Flugboote waren auf Patrouillenflug in Richtung Süden. Fähnrich Tanner, der die Rauchbombe auf das A-Boot vor der Hafeneinfahrt geworfen hatte, zog sich gerade um. Er hatte nach dem Flug eine Weile Gewissensbisse gehabt,
Die »California« sinkt
weil es ihm immer noch möglich erschien, daß er ein eigenes Boot angegriffen hatte.
Aber seine Kameraden hatten es fertiggebracht, ihn zu beruhigen. Er war ein begeisterter Fotograf, und heute morgen wollte er mit dem Motorrad an die Küste, um Aufnahmen am Meer zu machen.
Im Hafenbecken war die Zeit der Flaggenparade gekommen. Um sieben Uhr fünfundfünfzig versammelten sich wie immer die auf den Schiffen verbliebenen Mannschaften an Deck zu der Zeremonie. Sie ging nach einem tausendmal geübten Schema vor sich. Genau sieben Uhr fünfundfünfzig wurde auf dem großen Wassertank hinter den Docks zuerst die blaue Vorbereitungsflagge gehißt. Das tat dann auch jedes Schiff im Hafen, von den Schlachtschiffen bis zum kleinsten Torpedoboot. Vier Matrosen und ein Offizier standen um den Fahnenmast und hielten das Sternenbanner bereit, bis genau um acht Uhr die Vorbereitungsflagge auf dem Wassertank eingeholt und das Sternenbanner aufgezogen wurde. Diesem Beispiel folgten dann alle Schiffe.
Die Schlachtschiffe, die eine eigene Kapelle hatten, ließen diese zu der Zeremonie heraustreten und die Nationalhymne spielen.
Es war wenige Sekunden nach sieben Uhr fünfundfünfzig: Über dem Wassertank wehte bereits die blaue Flagge. Da war plötzlich Motorengeräusch in der Luft. Es kam schnell näher. Die Männer wunderten sich, daß plötzlich so viele Flugzeuge in der Luft waren.
Eine Gruppe jagte vom Süden heran, aus der Gegend der Hafeneinfahrt. Sie flog so tief, daß die Männer die Köpfe der Piloten in den Kanzeln erkennen konnten. Auf der
»California« rief ein Maat verwundert: »Da haben wohl die Russen einen Träger zu Besuch geschickt, die haben ja rote Dinger an den Tragflächen!«
Jemand gab seiner Wut darüber Ausdruck, daß ein paar wildgewordene Armeeflieger ausgerechnet während der Flaggenparade diesen s törenden Lärm veranstalteten. Wieder andere wiesen verblüfft auf die anfliegenden Maschinen, die alle starre Fahrwerke hatten. Solche Modelle gab es auf der Insel nicht. Dann schoß die erste der so überraschend aufgetauchten Maschinen pfeilschnell herab und jagte auf die Pier der Flugboote am Südende der Ford-Insel zu. Sekunden später krachte eine Explosion durch die Stille des Sonntagmorgens. Von der PBY-Pier flogen Wrackstücke hoch in die Luft.
Als die kleine Maschine in einer gewagten Kurve hochzog, konnten die Männer auf den Schiffen den orangeroten Kreis an der Unterseite der Tragflächen sehen.
»Das sind ... Japaner! « Der Schrei pflanzte sich fort. Er ging unter im Heulen der Motoren und in den berstenden Schlägen der Bomben und
Torpedos. Über der friedlichen Insel mit den sonnigen Palmenküsten, über dem schläfrigen Hafen und den halbvollen Kasernen, über der Stadt Honolulu und den Flugplätzen ringsum war die Hölle los.
In der Kanzel seines Bombers gab Kapitän Fuchida erregt das vereinbarte Signal an Admiral Nagumo durch, das diesem den Erfolg des Angriffs meldete. »Tora... Tora...
Toral« funkte Fuchida. Das hieß Tiger. Die geflügelten Tiger aus dem fernen Inselreich hatten zugeschlagen.
Zwei Herren im dunklen Anzug
Als es in Pearl Harbor sieben Uhr dreißig war, zeigten die Uhren in Washington dreizehn Uhr mittags. In Amerika stand man früher auf als auf den Hawaii-Inseln und viel früher als in Japan. Aber diese Feststellung hat keinen symbolischen Charakter, soweit sie das betraf, was sich an diesem Morgen um Pearl Harbor abspielte.
Während der ersten Dezemberwoche war in den Vereinigten Staaten nichts Ungewöhnliches geschehen. Das Land nahm noch immer nicht am Kriege teil.
Präsident Roosevelt war damit beschäftigt, sich gegen die isolationistische
»Amerika-First«-Bewegung zu wehren, jene Vereinigung von gutorganisierten Reaktionären, die verhindern wollten, daß sich die USA mit ihrer großen wirtschaftlichen und militärischen Macht auf die Seite der antifaschistischen Kräfte stellten. Angeführt wurde diese Bewegung von Charles A. Lindbergh. Zu ihren eifrigsten Verfechtern gehörten außerdem solche Senatoren wie Wheeler, Clark,
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