Pearl Harbor
handeln. Es gab keinen Zweifel mehr: Die USA waren angegriffen worden.
Als die beiden japanischen Diplomaten Nomura und Kurusu im dunklen Anzug um vierzehn Uhr und fünf Minuten im State Department erschienen, um Außenminister Hull die nun vollständige, vierzehnteilige Note ihrer Regierung zu überreichen, wußte Hull bereits, daß Pearl Harbor angegriffen worden war. Er sparte seinen Zorn über diesen heimtückischen Angriff für später auf und begnügte sich damit, die Note, die ihm überreicht wurde, als das rüdeste, verlogenste und unverschämteste Dokument zu bezeichnen, das ihm während seiner ganzen Dienstzeit unter die Augen gekommen sei.
Außenminister Hull kannte die ersten dreizehn Teile dieser Note bereits. Der eigene Abwehrdienst hatte sie entschlüsselt und ihm übergeben, noch bevor die Reinschrift in der japanischen Botschaft fertig gewesen war. Während er sich den Anschein gab, das lange Schriftstück einer Durchsicht zu unterziehen, hatte Hull Zeit, darüber nachzudenken, was dieser De-facto-Kriegserklärung vorausgegangen war.
Bereits am 22. November hatte der Abwehrdienst eine Depesche aus Tokio, die an die japanische Botschaft in Washington gerichtet war, aufgefangen und entschlüsselt. Der Text lautete, daß Nomura und Kurusu die Verhandlungen auf jeden Fall bis Ende November hinziehen sollten. Danach sollten sich die Dinge »automatisch entwickeln«.
Dies hätte für die militärischen Führer der USA eine ernste Warnung sein müssen.
Wenig später, am 3. Dezember, fing der Abwehrdienst einen weiteren Funkspruch aus Tokio auf, der der japanischen Botschaft in Washington die Anweisung erteilte, Geheimdokumente aller Stufen sowie den Ge heimcode zu vernichten. Die Meldung, daß im Gelände der Botschaft Dokumente verbrannt wurden, war eine erneute Warnung gewesen. Keine Botschaft verbrannte ihre Geheimdokumente, wenn nicht ein Krieg unmittelbar bevorstand. Am 6. Dezember schließlich war ein Funkspruch aufgefangen worden, in dem es hieß, daß die beiden japanischen Unterhändler die vierzehnteilige Note genau um dreizehn Uhr der USA-Regierung auszuhändigen hätten. Ein derartig genau festgelegter Zeitpunkt für die Übergabe einer Botschaft war ein absolut sicheres Zeichen dafür, daß kriegerische Handlungen zu erwarten waren.
Aber Armee und Marine waren nicht in Alarmzustand versetzt worden, weder in den Staaten noch in den überseeischen Besitzungen.
Nach der Meldung über den Angriff auf Pearl Harbor wurde Hull plötz-
lich klar, mit welcher Fahrlässigkeit die oberste Führung der USA alle Vorzeichen für diesen Überfall unbeachtet gelassen hatte. Niemand hatte es für möglich gehalten, daß sich die Japaner, anstatt die durch den Überfall Hitlers in einem Kampf auf Leben und Tod stehende Sowjetunion ebenfalls anzugreifen, gegen die USA wenden würde. Der Wunsch, daß Japan die Sowjetunion in einen Zweifrontenkrieg verwickeln würde, war der Vater des Gedankens gewesen, daß alle festgestellten Kriegsvorbereitungen Japans Zeichen für einen bevorstehenden Überfall auf die fernöstlichen Gebiete der Sowjetunion waren. Dies war der Lieblingsgedanke der amerikanischen Hochfinanz gewesen, jener Kreise, die Todfeinde der Sowjetunion waren und die an einem Ausgleich mit Japan auf Kosten der UdSSR interessiert waren.
Nun war es zu spät. Pearl Harbor lag unter dem Bombenhagel japanischer Flugzeuge.
Außenminister Hull las die letzten Sätze der japanischen Note: »Die japanische Regierung bedauert, hiermit der amerikanischen Regierung mitteilen zu müssen, daß sie infolge der von der amerikanischen Regierung eingenommenen Haltung nicht anders handeln kann, als es für unmöglich zu erachten, durch weitere Verhandlungen zu einer Einigung zu gelangen.«
Die Note enthielt keine offene Kriegserklärung, aber die Kampfhandlungen hatten bereits begonnen. Politische Hinterhältigkeit und militärische Überheblichkeit hatten dazu geführt, daß die amerikanische Nation den, ersten Schlag auf dem pazifischen Kriegsschauplatz nahezu unvorbereitet hinnehmen mußte.
Nomura und Kurusu verließen mit den Mienen von Märtyrern das State Department.
Innerlich aber triumphierten sie. Die Überraschung war geglückt. Man hatte die USA an der verwundbarsten Stelle getroffen. Um diese Zeit würde die Pazifikflotte in Pearl Harbor unter den Bomben und Torpedos der japanischen Flugzeuge in Flammen aufgehen.
Das Sterben der großen Schiffe
Die erste Explosion an der Pier der Flugboote am
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