Pearl Harbor
Insel Oahu langsam präzisere Formen an. Die Stäbe hatten sich von dem Schock des morgendlichen Angriffs soweit erholt, daß sie systematisch Maßnahmen zu planen und auszuführen begannen. Der Angriff war nicht fortgesetzt worden. Die Aufklärung hatte ergeben, daß vorläufig keine akute Gefahr mehr bestand. Nirgendwo war eine japanische Landungsflotte gesichtet worden. Selbst wenn die Japaner einen weiteren Angriff, vielleicht sogar eine Landung vorbereiteten, würde bis zur Ausführung dieses Planes noch einige Zeit vergehen. Die Militärs auf der Insel nutzten diese Pause und richteten sich, so gut es ging, auf die Verteidigung ein.
Die meisten Einheiten der Armee befanden sich bereits in schnell ausgehobenen Stellungen an den Küsten. Geschützstellungen waren angelegt wo rden.
Infanteriegeschütze richteten ihre Rohre auf das Meer. Infanteristen strengten ihre Augen an, um eine sich nähernde Landungsflotte zu entdecken. Das System der Fliegerabwehr war einigermaßen geordnet worden. Die meisten noch seetüchtigen Schiffe befanden sich auf Patrouillenfahrt in den Gewässern um die Insel. Was es noch an einsatzfähigen Flugzeugen gab, flog Aufklärungseinsätze über dem Meer.
Zu den Maschinen, die einen solchen Auftrag erhalten hatten, gehörten auch sechs Flugzeuge, die am Morgen von der »Enterprise« gestartet und während des japanischen Angriffs auf Oahu gelandet waren.
Trotz dieser Maßnahmen war die Atmosphäre auf der Insel auch weiterhin gespannt. Jeder sah in jedem einen japanischen Angreifer. Die
Nachrichtenverbindungen waren lückenhaft. Es gab noch immer kein einheitliches System bei der Erteilung von Feuerbefehlen. Das führte zu tragischen Vorfällen, die einer Anzahl Soldaten und Zivilisten das Leben kosteten.
So wurde beispielsweise gegen Abend von einem Patrouillenflugzeug ein Sampan gesichtet, der vom Meer auf die, Insel zuhielt. Es war das Fischerboot des auf Oahu lebenden Japaners Sutematsu Kida. Er war mit drei Brüdern auf dem Meer zum Fang gewesen und ahnte nicht, was sich während des Tages in Pearl Harbor abgespielt hatte. Als das Patrouillenflugboot den Sampan anflog, stellten sich die Japaner an Bord und winkten. Das Flugboot zog einen Kreis und eröffnete das Feuer. Der Pilot
hatte im Vorbeifliegen erkannt, daß die Leute auf dem Sampan Japaner waren. Nach zwei Anflügen waren alle vier Fischer getötet. Das Boot ging unter.
Für die Flieger von der »Enterprise« endete der Tag ebenfalls tragisch. Nachdem bereits am Morgen die Hälfte aller Maschinen der »Enterprise« abgeschossen worden war, ereilte nun auch die letzten sechs ihr Schicksal.
Leutnant Fritz Hebel, einer der besten Piloten der »Enterprise«, führte die sechs Maschinen auf einem abendlichen Suchflug an. Gegen neunzehn Uhr dreißig kehrten sie zur Ford-Insel zurück, um hier zu landen. Sie waren auf ihrem Flug bis zu der immer noch draußen auf dem Meer kreuzenden »Enterprise« gekommen, hatten aber den Befehl erhalten, nach Oahu zurückzukehren und sich dort zur Verfügung zu halten.
Vorschriftsmäßig bat Leutnant Hebel den Kontrollturm auf der FordInsel um Landeerlaubnis. Er bekam die Antwort »Schalten Sie die Positionslichter an, kurven Sie über dem Feld, wir dirigieren jede Maschine einzeln.«
Die Landung auf dem Trümmerfeld war nicht einfach, Hebel wußte das. Er verfuhr nach den Anweisungen und schwebte auf die von Trümmern übersäte Rollbahn zu. In diesem Augenblick begann irgendwo am Rande des Flugplatzes ein Maschinengewehr auf ihn zu schießen. Niemand hatte den Feuerbefehl gegeben, aber niemand hatte auch die Infanteristen benachrichtigt, daß eigene Flugzeuge im Anflug waren. Sofort schlossen sich einige andere Maschinengewehre dem Beispiel des ersten an. Eine Panik brach aus. Selbst im Hafen sprangen die Mannschaften an die
Flugzeugabwehrmaschinengewehre und schossen auf die Flugzeuge. Vom Kontrollturm auf der Ford-Insel eilte ein Offizier verzweifelt zum Kommandostand der Infanterie und schrie: »Hört auf zu schießen! Das sind unsere Maschinen! «
Aber es war zu spät. Von überallher schoß man auf die Flugzeuge. Leutnant Hebel rief erschrocken in sein Funksprechgerät: »Was zum Teufel ist los?« Niemand antwortete ihm.
Einer der Piloten war so geistesgegenwärtig, im Sturzflug auf einen Scheinwerfer der Infanterie herabzustoßen und ihn außer Betrieb zu setzen. Das ermöglichte den anderen Maschinen, im Schutze der Dunkelheit wieder Höhe zu gewinnen. Trotzdem blieb das
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