Pech und Schwefel (German Edition)
besuchen, sie warten nämlich schon auf euch.« Alori wechselte so abrupt das Thema, dass die Zwillinge sie verdutzt ansahen und ihr schließlich hinterher rannten, als sie die Tür öffnete und in den Flur trat.
Kurz darauf standen Ronor und Nomarac in einem Zimmer im Erdgeschoss. Überall wo sie hinsahen, türmten sich Kleiderberge auf. Der Raum war ein großer Kleiderschrank. Wie sich herausstellte war Osir der junge Raukarii, der sie bei ihrem Eintreffen im Empfang genommen hatte. Pian war ein wenig jünger aber genauso gekleidet wie er. Beide trugen weiße Seidenhosen und eine knappe Weste aus weißem Leder. Hände und Armen waren mit Goldreifen und Ringen fast schon überladen, ihre langen Haare mit goldenen Spangen gebändigt. Goldkettchen klimperten um ihre Fußknöchel. Schuhe hatten sie nicht.
Die Raukarii stellten sich mit einer galanten Verbeugung vor und warteten nur noch darauf, dass Alori ihnen weitere Anweisungen gab.
Alori musterte die Brüder eingehend. »Ronor … du wirst künftig als Page arbeiten. Das heißt, die Gäste bedienen und in den Zimmern nach dem Rechten sehen. Daher musst du auch für die Gäste etwas ganz Entzückendes anziehen.« Sie winkte Osir zu, der sofort auf einen Kleiderhaufen zusteuerte und darin nach dem Passenden suchte.
»Nomarac, du bist ab morgen Endis Laufbursche. Also brauchst du etwas Praktisches zum Anziehen. Auf jeden Fall etwas, das nicht so groß ist.« Alori bedeutete Pian, ihm ebenfalls etwas herauszusuchen.
Keine zehn Minuten später waren die Zwillinge umgezogen und betrachten sich mit gemischten Gefühlen in einem mannshohen Spiegel.
Nomarac sah in seiner neuen Kleidung aus wie Clay, als er jung gewesen war. Eine braune Lederhose, ein beigefarbenes Wollhemd und eine waldgrüne Tunika ohne Ärmel rundeten sein neues Erscheinungsbild ab. Alori entschuldigte sich, weil sie keine Schuhe für ihn hatten, aber er empfand das gar nicht als schlimm, sondern wackelte stattdessen fröhlich mit den nackten Zehen.
Ronor freute sich weniger über seine neue Kleidung. Osir hatte ihm eine weiße Seidenhose gegeben, die früher einmal einem Pagen gehörte, der sehr klein gewesen war. Darüber trug er eine etwas zu große Weste, was aber gar nicht so schlecht an ihm aussah, und dazu einen goldenen Armreif am linken Handgelenk. Alori hatte ihm seine langen Haare im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden und etwas schwarze Farbe um seine Augen gemalt. Ronor sah nun aus wie Osir und Pian.
»Muss ich das wirklich anziehen?«, fragte Ronor skeptisch und zog einen Schmollmund. »Kann ich nicht so was wie Nomarac bekommen?«
»Aber nicht doch, meine Junge.« Alori lachte. »Das ist absolut perfekt. Mit der Zeit gewöhnst du dich dran. Du siehst sehr gut aus. Und Endis wird auch sehr zufrieden sein. Mit euch beiden. Und nun zeige ich euch, wo ihr schlafen werdet.«
Ronor war nicht überzeugt von ihren Worten. Da half auch kein freundliches Lächeln von Osir und Pian, die ihn aufmuntern wollten.
Gemeinsam mit den Zwillingen erreichte Alori die Küche, wo inzwischen das Essen einen köstlichen Duft verbreitete. Aber noch mussten sie warten, erst in einer Stunde durften sie ihre Mägen füllen. Alori führte sie zu einer Nische, die zwischen den beiden Kochstellen und einer Tür lag, die in einen Vorratsraum führte. Sie holte aus dem Raum zwei Strohmatratzen und zwei Decken heraus. Als Kopfkissen dienten ausgestopfte Säcke mit Gänsefedern.
»Hier ist es immer schön warm im Winter«, sagte Alori und deutete auf den Boden. »Hier könnt ihr abends eure Matratzen hinlegen. Tagsüber verstaut ihr sie einfach im Vorratsraum.« Sie beugte sich zu ihnen herunter und flüsterte: »Früher hat Clay hier geschlafen. Nachher lege ich euch die Glasphiolen unter die Kopfkissen.« Dann erhob sie sich wieder und sprach laut weiter. »Eure alte Kleidung wird euch Osir noch bringen. Ihr findet sie später in einer Kiste im Vorratsraum. Besonders für dich ist es wichtig, Ronor. Denn du solltest tagsüber nicht die Pagenkleidung tragen, die ist nur für die Kunden bestimmt.«
Ronors Schmollmund kehrte zurück und Alori lachte.
Es war kurz nach Mitternacht. Ronor und Nomarac lagen wach unter ihren Decken. Die Küche war längst verlassen und dunkel. Nur noch ein paar vereinzelte Holzscheite im Kamin glimmten vor sich hin. Aufmerksam lauschten sie auf jedes noch so kleine Geräusch. Vorsichtig tippte Nomarac Ronor an.
»Bist du bereit?«, flüsterte er.
»Ja«, kam es ganz leise
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