Pech und Schwefel (German Edition)
zusammen. Das war ihre erste Gelegenheit, um wirklich jeden Raukarii in diesem Haus kennenzulernen – außer den Frauen des Hauses, die separat schliefen und aßen und zu denen auch Alori gehörte. Ronor und Nomarac warteten ungeduldig darauf, ihr von dem nächtlichen Erfolg erzählen zu können.
Am frühen Vormittag halfen die Brüder Osir und Pian den Badezuber für die Frauen zu reinigen, und dann mit heißem Wasser wiederzubefüllen. Diese Aufgabe machte ihnen richtig Spaß. Endis hatte sich von einem Magier nämlich etwas errichten lassen, was das Leeren und Füllen der großen Wanne sehr vereinfachte. Wie von Zauberhand floss das Wasser ab und über Rohre kam aus der Küche heißes Wasser wieder hinein. Das war auch für sie das erste Mal, dass Ronor und Nomarac die zwanzig Raukariifrauen unter Endis Tepturs Dach zu Gesicht bekamen. Jede von ihnen wirkte so wunderschön wie Alori, wobei Alori für sie die Schönste von allen war.
Beim Befüllen des Badezubers mussten sie genau aufpassen, damit sie später auch alleine diese Aufgabe übernehmen konnten.
Schließlich wurden die Brüder rot und schämten sich. Die Frauen liefen nackt durchs Badehaus, es machte ihnen gar nichts aus. Osir und Pian halfen ihnen sogar und wuschen ihre Haare.
Alori nahm die beiden, nachdem sie gebadet und angezogen war, zur Seite und ließ sich berichten, was in der Nacht geschehen war. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen. Ihr gelang es zumindest den beiden zu danken und ihnen einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Dann übergab sie die Jungen wieder in die Obhut der beiden Diener und verschwand in ihrem Zimmer.
Osir machte es sich zur Aufgabe, den Zwillingen das ganze Haus zu zeigen. So erfuhren sie, dass alle Diener im Keller und die Frauen in den Zimmern im ersten Stockwerk schliefen. Tagsüber sah man die Raukariifrauen kaum, weil sie oft in einem Gemeinschaftsraum zusammensaßen und nicht gestört werden wollten. Abends, wenn die Gäste kamen, sollten die beiden Jungen nicht mehr nach oben gehen, nur Ronor durfte ins Erdgeschoss, weil er ab sofort Getränke servieren würde.
Kurz vor dem Mittag brach für Ronor und Nomarac die schlimmste Zeit ihres Lebens an. Zum ersten Mal in ihrem Leben würden sie für Stunden getrennt sein. Noch nie war der eine Zwilling ohne den anderen gewesen. Schon der Gedanke, sich voneinander verabschieden zu müssen, trieb ihnen die Tränen in die Augen. Es kostete am Ende einige Überredungskunst von Alori, bis sich die Brüder mit klammem Gefühl im Magen endlich trennten. Doch wohl war ihnen nicht und man sah es ihnen an. Nur das Versprechen von Alori, dass sie sich heute Abend wiedersehen würden, beruhigte sie ein wenig.
»Ronor, du wirst jetzt deine Pagenkleidung anziehen. Osir und Pian warten schon auf dich«, befahl Alori mit einem Lächeln. »Und du Nomarac, wirst mit mir kommen. Ich bringe dich zu Endis. Er wird dir alles erklären.«
»Du schaffst das, Ronor«, versuchte Nomarac seinem Bruder Mut zu machen und sah ihn dabei eindringlich an. Obwohl er nicht weniger Angst vor der Trennung verspürte, wusste er, dass dieser Tag eines Tages gekommen wäre. Aber vor allem wollte er ihm zeigen, dass sie beide tapfer waren. Alori sollte stolz auf sie sein.
»Du … du aber auch«, antwortete ihm Ronor kaum hörbar und schluckte.
»Jeder hat eine andere Aufgabe, denkt daran«, erinnerte sie Alori und nahm Nomarac an die Hand. »Wir sollten uns beeilen, sonst schimpft Endis noch mit dir.«
Nach diesen Worten machte sie es kurz und schmerzlos. Sie lief mit Nomarac die Treppe nach oben, während Ronor unten stand und den beiden hinterher blickte. Dann verschwand sie mit ihm aus seinem Sichtfeld und war erleichtert, dass der Junge nicht hoch gerannt kam. Aber auch sie kostet es unglaublich viel Courage, denn die Trennung erinnerte sie schmerzhaft an Clay.
Kurz darauf trat sie mit Nomarac in Endis’ Arbeitszimmer ein. Ihr Geliebter stand mit drei seiner zwielichtigen Spießgesellen am Fenster. Sie musterten die beiden mit skeptischen Mienen. Das Hauptaugenmerk galt dabei Nomarac.
»Was hat da so lange gedauert?« Einer der Raukarii knurrte diese Worte und verschränkte die Arme vor der Brust.
Der Mann hatte fast dieselbe Statur wie Endis und schien auch in seinem Alter zu sein. Sein rotes Haar fiel ihm bis auf die braune Lederkleidung, die durch abgetragene Lederhandschuhe und einen schwarzen Umhang ergänzt wurde. Unter dem Stoff lugte der
Weitere Kostenlose Bücher