Pech und Schwefel (German Edition)
zurück. »Lass uns gehen.«
Sie krochen unter ihren Decken hervor und schnappten sich die beiden Glasphiolen, die unter ihren Kopfkissen versteckt waren. So leise wie möglich stahlen sich die Brüder durch die Küche bis zur geschlossenen Hintertür, genauso, wie Alori es ihnen geraten hatte. Sie war zum Glück nicht abgeschlossen. Im Erdgeschoss und im ersten Stockwerk herrschte zwar immer noch reges Treiben, aber die Raukarii waren mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Im Schutz des Hauses rannten die Zwillinge über den Hinterhof, dann eine kleine Auffahrt hinaus auf die Straße. Es war eine sternenklare Nacht, über ihnen erhellten abertausende von Himmelslichtern die Dunkelheit.
»Weißt du noch, was Alori gesagt hat?«, flüsterte Nomarac und linste zu den erleuchteten Fenstern des Bordells hinauf. Hinter den teilweise zugezogenen Vorhängen konnte er einige Schatten erkennen, aber die Straße lag verlassen vor ihnen.
»Ja«, murmelte Ronor und griff nach der Hand seines Bruders. »Wir müssen nach rechts bis zur Hauptstraße, den Fluss hinter uns lassen und …«, er brach ab und rannte mit Nomarac im Schlepptau einfach los.
Wie von Alori beschrieben, folgten sie dem Weg. Von besagter Hauptstraße aus erreichten sie die Brücke der Einheit. Sie führte über den breiten Levenoar, der im Hafen in den großen See Mezdoar floss. Drei Straßenzüge weiter sahen sie bereits ihr eigentliches Ziel näherkommen. Die Zwillinge schlichen auf den Zevenaartempel zu, dieses Mal nur aus einer anderen Richtung. Als sie den Tempelvorplatz erreichten, benötigten sie einen Moment um sich zu orientieren. Schließlich erkannten sie in der Dunkelheit der Nacht das unliebsame Gebäude wieder, das seitlich des Tempels in die Höhe ragte: das Gefängnis von Mayonta. Um das Gefängnis herum patrouillierten Soldaten mit Fackeln und griffbereiten Schwertern an ihren Waffengürteln, zwei Wachsoldaten bewachten den Eingang.
Ronor und Nomarac versteckten sich im Schatten eines Baumes, der den Rand des Platzes säumte. Mit schnell klopfendem Herzen lugten sie dahinter hervor und überlegten, wie sie ungesehen zu Clay und Nyn kommen sollten.
»Ich lenke die Wachen ab und du stielst dich heimlich rein«, erklärte Nomarac, aber kaum waren die Worte ausgesprochen, schüttelte er den Kopf.
»Ohne dich mache ich es nicht« Ronor deutete in die Richtung, wo sich die vergitterten Luken zu den Zellen befanden. »Alori sagte doch, wir sollen dorthin gehen.«
Nomarac erinnerte sich wieder und stimmte dem Plan zu. »Wir dürfen nur keiner Wache begegnen.«
Sie kamen hinter dem Baumstamm hervor, flitzten zur anderen Straßenseite und gelangten im Dunkeln ungesehen zu den Zellenfenstern. Wie ihnen auffiel, gab es hier überhaupt keine Soldaten, aber wie lange würde ihr Glück anhalten?
Nomarac erinnerte sich daran, dass sie in der vorletzten Zelle auf der linken Seite eingesperrt gewesen waren. Genau dort hatten die Wachen Clay und Nyn hingebracht. Es dauerte nicht langen und sie fanden die richtige Luke. Sie knieten sich auf den Boden und versuchten, in der Schwärze der Zelle etwas zu sehen, leider erfolglos.
»Clay?«, flüsterten Nomarac und Ronor abwechselnd durch die Gitterstäbe und blickten immer wieder über die Schultern. Sie durften sich nicht erwischen lassen.
Nach einigen Minuten hörten sie ein leises Stöhnen.
»Clay, bist du das?«, fragte Ronor.
»Clay? Nyn?«, kam es von Nomarac und wieder folgte ein Aufstöhnen.
Die Brüder lauschten und dann antwortete ihnen eine vertraute Stimme.
»Ronor? Nomarac?«
»Ja. Geht es euch gut?« Ronor sah seinen Bruder besorgt an. Dem jungen Dieb ging es wirklich sehr schlecht, das konnten sie hören. »Habt ihr Schmerzen?«
Es folgte Schweigen. Doch als Clay wieder sprach, klang er erschöpft und jedes Wort schien ihm unglaublich schwer zu fallen. Die Zwillinge sahen wieder die beiden Raukarii vor sich, wie sie blutend und bewusstlos in die Zelle geschleift worden waren, aus denen Caladur sie herausgeholt hatte. Die Folter musste wirklich sehr schlimm gewesen sein. Beim Gedanken daran, begannen Ronor und Nomarac zu zittern.
»Uns geht es gut«, log Clay. »Was macht … ihr hier? Sind die … die anderen …«
»Kennst du Alori?«, antwortete Nomarac mit einer Gegenfrage.
Abermals herrschte Schweigen. Die kaum vernehmlichen Seufzer aus der Zelle lasteten schwer auf den Schultern der Brüder. Sie bekamen es mit der Angst zu tun. Doch schließlich erklang Clays Stimme ganz
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