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Pechstraehne

Pechstraehne

Titel: Pechstraehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Menschenverstand zur Seite schieben. Aber es gibt nun einmal keine erhöhte Rendite ohne gesteigertes Risiko.«
    »Hier spricht der konservative Anleger«, stellte der junge Oberkommissar süffisant fest.
    »Ja, und zwar ganz bewusst. Auch mein Anlagefuzzi bei der Sparkasse hat über Jahre versucht, mich auf Aktien oder irgendwelche Fonds zu wuchten, immer ohne Erfolg. Und irgendwann habe ich mal einen Deal mit ihm gemacht. Er musste mir ein Musterdepot anlegen, sozusagen mit Spielgeld, und alles rein, was er an todsicheren Dingern auf der Pfanne hatte. Das habe ich zwei Jahre liegen gelassen und danach geschaut, was aus meiner Kohle geworden wäre. Nach Ablauf der Zeit haben wir dann zusammen dagesessen, er mit Tränen in den Augen, ich feist grinsend, und seitdem verschont er mich mit seinen Tipps.«
    »Coole Masche«, zeigte Hain sich beeindruckt.
    »Ja, Gier war noch nie meine starke Seite, Thilo.«
    »Was aber, wenn wir wieder zu Vontobel zurückkehren wollen«, warf Lenz dazwischen, »offenbar nicht für jeden gilt. Also gehen wir runter in die KT und schauen, ob wir nicht doch irgendetwas finden, das uns weiterhilft.«

8
    Nasif Yildirim wusste, dass er einen schweren Gang vor sich hatte. Mit trockenem Mund und feuchten Händen bog er von der Holländischen Straße nach rechts ab, bis er gegenüber der Bäckerei sein schwarzes BMW-Cabriolet in eine Parklücke rollen ließ. Für einen Moment überlegte er, das Dach zugleiten zu lassen, entschloss sich jedoch dagegen, stieg aus, nahm eine Kunstledertasche von der Rückbank und machte sich auf den Weg.
    Der Hausflur roch noch immer muffig, so wie er schon vor 30 Jahren gerochen hatte, als Nasif ein kleiner Junge gewesen war. In diesem Backsteinhaus im Kasseler Stadtteil Nord-Holland war er geboren worden, hier hatte er seine Kindheit und den größten Teil seiner Jugend verbracht. Zwei Straßen weiter war er zur Schule gegangen, keine 500 Meter auf der anderen Seite der Hauptstraße hatte er, als Ansprechpartner der ständig wachsenden türkischen Bevölkerung, bei einer Volksbank eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert.
    Die letzten Meter fielen ihm jetzt besonders schwer, und kurz dachte er daran, einfach umzudrehen und zu verschwinden, doch er wusste, dass die Sache dadurch garantiert nicht besser oder aus der Welt zu schaffen sein würde. Also schob er seinen Schlüssel zur Wohnung, den er in all den Jahren nie abgegeben hatte, ins Schloss, hob ihn sachte über die klemmende Stelle und schob die Tür auf. Entgegen sämtlicher Erfahrung und auch seiner Erwartung kam niemand auf ihn zu, um ihn zur Begrüßung in den Arm zu nehmen.
    »Hallo«, rief er in den Flur, doch bis auf leises Gemurmel aus dem Inneren der Wohnung konnte Nasif nichts hören. Schnell schlüpfte er aus seinen Schuhen, hängte die Jacke an einen Garderobenhaken und schlich mit gesenktem Kopf Richtung Wohnzimmer. Dort wurde er von neun Menschen erwartet, die ihn allesamt missmutig anstarrten und deren Begrüßung jeweils aus einer kurzen Nickbewegung mit dem Kopf bestand.
    »Hallo, grüß’ euch«, gab er leise in die Runde.
    »Setz dich«, forderte sein Vater, der in der Mitte des Sofas, eingerahmt von seinen beiden ältesten Söhnen, Platz genommen hatte, ihn auf. In diversen Sesseln und auf Hockern saßen, alle mit glimmenden Zigaretten in den Händen, vier Brüder seines Vaters, also seine Onkel. Seine Mutter und eine Schwester seines Vaters waren die einzigen Frauen in der Runde. Vor der Versammlung stand ein leerer Stuhl bereit, der offenbar ihm zugedacht war.
    »Was kannst du uns sagen, Sohn?«, wollte Yildirims Vater wissen, noch bevor sein Hintern das harte Holz des Stuhles erreicht hatte. »Hast du etwas erreicht in deiner Bank?«
    Der junge Banker öffnete die Tasche in seinen Händen und zog ein Dossier heraus. Dann holte er tief Luft, richtete sich auf und fing leise an zu sprechen.
    »Nein, Baba, ich habe nichts erreicht. Es gibt nichts, das ich euch mitteilen könnte, also auch keine positiven Neuigkeiten.«
    Ein Raunen durchzog das Zimmer.
    »Heißt das«, wollte einer seiner Onkel wissen, »du hast es probiert und es hat nicht geklappt, oder hast du unsere Situation erst gar nicht angesprochen?«
    Nasif Yildirim zögerte.
    »Das ist nicht so leicht zu beantworten, Onkel. Du weißt nicht, wie es in einer Bank zugeht, speziell in einer deutschen.«
    Der harte Blick seines Verwandten, der ihn in diesem Moment traf, ließ den jungen Mann auf dem Stuhl kurz erschaudern.
    »Ich

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