Pechvogel: Roman (German Edition)
hatte ich Kaffeehauskellnerinnen sogar kurzzeitig ganz abgeschworen. Aber manche Gewohnheiten wird man schwerer los als andere.
Ich beobachte, wie die Brünette mit dem keltischen Tattoo hinter den Tresen zurückkehrt und mir zulächelt. Dann stecke ich die Serviette mit ihrer Nummer ein, ohne die Frau tatsächlich je anrufen zu wollen. Auf der anderen Seite: Wenn es um Frauen geht, kann man auf meine Vorsätze in etwa so viel geben wie auf eine inkontinente Blase.
An der Ausgangstür stoße ich mit Mandy zusammen.
»Hi«, sage ich.
»Hi«, sagt sie zurück.
So stehen wir eine Weile da, ich halb auf dem Weg hinaus, sie halb auf dem Weg hinein. Wir blockieren den Starbucks-Eingang, starren uns an, und keiner von uns spricht ein Wort.
Unangenehme Situationen lagen mir noch nie.
Ich sehe sie an, warte darauf, dass sie etwas sagt, dass sie mir irgendein Zeichen gibt, auf das ich reagieren kann. Aber ich finde nur Geringschätzung in ihrem Blick. Sie betrachtet mich so, als ob ich sie beständig enttäuschen würde.
»Wie geht es den Mädchen?«, frage ich schließlich.
»Sie haben auch Namen, weißt du.«
»Stimmt.« Namen lagen mir noch nie. »Wie geht es ihnen?«
»Gut. Wir haben dich in diesem Jahr wieder einmal bei ihren Geburtstagen vermisst.«
Geburtstage lagen mir auch noch nie. Oder Jubiläen. Oder Feiertage. Einmal habe ich sogar Weihnachten vergessen.
Und so stehen wir weiterhin da und starren einander an, ohne uns dabei in die Augen zu sehen. Klingt kompliziert, aber wir haben eine Menge Übung.
»Und dein Mann?«, sage ich. »Wie hieß er noch?«
»Ted. Er heißt Ted. Ihm geht es gut. Uns allen geht es gut.«
Ich nicke und versuche, die Röte zu ignorieren, die Mandy ins Gesicht steigt. Stumm überlege ich, ob sie mich wohl fragen wird, wie es mir geht. Ob ich immer noch wildere. Aber wahrscheinlich will sie das lieber gar nicht wissen.
»Immer noch die alte Masche?«, erkundigt sie sich.
»Hin und wieder.«
Mandy nickt und kräuselt die Lippen. Ich sehe ihr an, dass ihr die Frage auf der Zunge liegt, ob ich jemals erwachsen werde, aber sie stellt sie nicht. Nicht hier. Nicht in der Öffentlichkeit.
Mandy war noch nie der Typ für Szenen.
Mehrere Kunden kommen und gehen und zwängen sich an uns vorbei, weil wir immer noch halb die Tür blockieren.
»Ich sollte dann mal weiter«, meint sie.
»Natürlich. Schön, dich gesehen zu haben.«
Sie schweigt, und wir umarmen einander nicht. Stattdessen trete ich einen Schritt zur Seite und gebe ihr den Weg ins Café frei. Im Gegensatz zu der brünetten Bedienung schaut Mandy sich nicht zu mir um, als sich die Tür hinter ihr schließt.
Kapitel 8
M it einer Flasche Mittleren Glücks und zehntausend Dollar im Rucksack erscheint es mir klug, das Geld an einem sicheren Ort zu verstauen, ehe ich zurück zu meinem Büro fahre. Mein Apartment ist bestimmt nicht der sicherste Ort – immerhin wohne ich Tür an Tür mit Ex-Knackis und Junkies –, aber es ist näher als mein Büro und praktischer als die Bank.
Aber vorher nehme ich die Laguna Street zum Green Street Market, um mir eine Rolle Mentos zu kaufen. Zwar komme ich auf dem Weg nach Hause auch an anderen Supermärkten und Läden vorbei, aber seit ich vor zwei Jahren den Green Street Market entdeckt habe, ist er meine erste Wahl. Ich bin eben ein Gewohnheitstier. Wie bei den Lucky-Charms-Frühstücksflocken und den Starbucks-Cappuccinos.
Als ich den Laden betrete, telefoniert ein älterer Typ im Anzug am Ende des Tresens mit dem Handy. Sam, der Besitzer, steht in einem schwarzen, kurzärmligen Seidenhemd und mit einem mir unbekannten Ausdruck im Gesicht hinter dem Tresen. Sein Lächeln wirkt gezwungen, und er hat den Blick fest auf mich gerichtet, so als würde er sich Mühe geben, nirgendwo anders hinzusehen. Trotz des für San Francisco typischen Sommernebels glänzt seine sonnengebräunte Glatze vor Schweiß.
»Morgen, Sam«, sage ich.
Sam schweigt und starrt mich weiterhin mit diesem seltsamen Ausdruck an: ganz so, als würde er mich zwar kennen, diesen Umstand aber unbedingt verbergen wollen. Schließlich öffnet er doch den Mund und erwidert mit übertriebener Förmlichkeit: »Auch ich wünsche einen angenehmen Morgen, der Herr.«
In diesem Augenblick kommt die attraktive Asiatin im roten Mantel herein, die ich im Starbucks gesehen habe, und gibt ihr Betreten des Ladens zugleich einem Dritten per Handy durch.
Ich gebe es zu: Ich bin wirklich ein lausiger Detektiv. Der Job ist für
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