Pechvogel: Roman (German Edition)
mich eher ein Broterwerb als eine Berufung. Aber jetzt und hier muss selbst ich nicht meinen inneren Columbo heraufbeschwören, um zu merken, dass etwas nicht stimmt.
Ich schaue mich um und frage mich, ob ich vielleicht mitten in einen Überfall hineingestolpert bin, doch der Typ im Anzug geht an mir und der Asiatin, die gerade ein Glas Kalamata-Oliven inspiziert, vorbei durch die Tür. Sonst ist niemand im Laden. Ich weiß noch immer nicht, was hier gespielt wird, und ein Teil von mir will es auch gar nicht wissen. Langsam dämmert mir, dass es ein Fehler war, hierherzukommen, aber mir sind ja nun mal die Mentos ausgegangen.
Während ich ein paar Rollen auf den Tresen werfe und einen Fünfer aus dem Portemonnaie ziehe, fährt draußen eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben vor. Noch ehe ich mein Wechselgeld in Händen halte, kommt die Asiatin zu mir herüber und drückt mir eine Pistole in die Rippen.
»Hallo, Mr. Monday«, schnurrt sie mir verheißungsvoll ins Ohr. »Lust auf eine kleine Spritztour?«
»Habe ich eine Wahl?«
»Nicht wirklich«, sagt sie und schiebt mich in Richtung Tür. »Nach Ihnen.«
Das hier muss die Falle sein, mit der ich nicht gerechnet hatte. Ich bin echt ein Idiot.
»Sorry, Nick«, meint Sam.
»Kein Problem«, gebe ich zurück, während ich durch die Tür und in die Stretchlimousine bugsiert werde. Das Ding ist eins von diesen Luxusmodellen mit zwei Rückbänken, die gegenüber voneinander angebracht sind. Ich sitze neben der Asiatin und erwarte, in Tommy Wongs Gesicht zu sehen, doch da ist nur ein Weißer in einem edlen Anzug von Brooks Brothers. Er hat zurückgekämmtes hellbraunes Haar, einen Laptop und eine Nase, die es problemlos mit San Franciscos höchstem Wolkenkratzer aufnehmen könnte.
»Ziemlich schick«, bemerke ich, als die Limousine anfährt. »Fahren wir zum Abschlussball? Oder wird das ein Junggesellinnenabschied?«
»Nick Monday?«, sagt der Anzugträger und schaut von seinem Laptop auf. »Ist das Ihr richtiger Name?«
»Wer will das wissen?«, frage ich.
»Spielt das eine Rolle?«
»Spielt es eine Rolle, dass Sie diesem Sänger Barry Manilow zum Verwechseln ähnlich sehen?«
Er lacht. Es ist kein freundliches Lachen. Eher ein herablassendes mit einer Spur Bosheit darin. Ich mochte Barry Manilow noch nie.
Die Asiatin schenkt mir ein professionelles Lächeln. Ihre Zähne sind dabei nicht zu sehen, und ich frage mich, ob ihre Lippen natürlich oder mit Kollagen aufgespritzt sind.
Erst nach zwei Blocks fällt mir auf, dass ich meine Mentos auf dem Tresen liegen gelassen habe.
»Was ist in der Tasche da?«, will Barry wissen und deutet auf meinen Lederrucksack.
»Schulbücher«, antworte ich. »Ich besuche die Abendschule.«
Barry schaut auf die Uhr. »Morgens um halb zehn?«
»Ich will bloß sichergehen, dass ich einen Platz in der ersten Reihe bekomme.«
»Öffnen Sie die Tasche.«
Er weiß, was sich darin befindet. Und ich weiß, dass er es weiß. Also tue ich, wie mir geheißen, und ziehe die Super-Protein-Flasche heraus. Die Asiatin nimmt sie mir aus der Hand und überreicht sie Barry.
Der hält sie in die Höhe und fragt: »Welche Qualität?«
»Mittlere«, sage ich.
Selbst ohne getönte Scheiben und schwarze Limousine gehe ich davon aus, dass die beiden für die Regierung arbeiten. In Anbetracht der Tatsache, dass der Wagen schöner als mein Apartment ist, frage ich mich, ob ich mir einen Job im öffentlichen Dienst suchen sollte.
»Also, was wollen Sie?«, frage ich.
Barry mustert mich unter halbgeschlossenen Lidern, und fast rechne ich damit, dass er gleich die ersten Zeilen des Schnulzensongs Weekend in New England anstimmt.
»Wir hätten Sie festnehmen lassen können«, meint er.
Ich habe keine Ahnung, für welchen Zweig der Regierung die beiden arbeiten. Für die Steuerbehörde vielleicht, die ihren Anteil an meinem nicht gemeldeten Einkommen haben will. Oder für das FBI, das Glückswilderer zu reglementieren versucht. Oder für die Bundeshandelskommission FTC, die Glück zu einer Handelsware machen will. Dass die Regierung jegliche Kenntnisse über Glückswilderer abstreitet, bedeutet noch lange nicht, dass die Oberen nichts von unserer Existenz wissen. Na ja, wer auch immer diese Leute hier sein mögen: Sie werden den ganzen Aufwand sicher nicht wegen einer Steuerprüfung betreiben.
»Was. Wollen. Sie?«, wiederhole ich.
Er lächelt. »Ihre Hilfe.«
»Was für eine Art von Hilfe?«
»Ist Ihnen ein Mann namens Tommy Wong
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