Pechvogel: Roman (German Edition)
schmeckt es wie eine Margarita.«
Damit mache ich mich auf den Weg und gehe die Lombard Street entlang zum Starbucks an der Ecke Union und Laguna. Zeit für meine Zehn-Uhr-Lieferung.
Kapitel 7
S tarbucks ist der ideale Ort für eine Übergabe. Mitten in der Öffentlichkeit erwartet niemand geheime Machenschaften. Niemand achtet darauf, was die anderen tun. Die Leute sind viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Zeitung zu lesen, im Internet zu surfen oder mit ihren iPhones zu spielen. Während man in der Schlange wartet, könnte man vermutlich sogar masturbieren, ohne dass es jemand merken würde.
Eine niedliche Brünette mit keltischem Knotenmuster-Tattoo auf der Innenseite ihres linken Handgelenks nimmt meine Bestellung auf. Sie wirkt, als sei sie soeben erst volljährig geworden. Brünette finde ich einfach unwiderstehlich. Und obwohl ich weiß, dass nichts Gutes dabei herauskommen kann, flirte ich mit ihr, um mein Ego zu stärken.
»Ich mag dein Tattoo«, sage ich.
»Danke«, sagt sie, ohne zu lächeln.
»Kein Anfang und kein Ende. Das zeitlose Wesen des Geistes. Der unendliche Zyklus von Geburt und Wiedergeburt. Oder ist es nur ein Glückssymbol?«
Ihr Blick wandert zunächst zu ihrem Handgelenk, dann zu mir. Sie sieht deutlich interessierter aus als zuvor. »Die meisten Typen haben von so was keine Ahnung.«
Ich lächle einfach und bedanke mich für das Aufnehmen meiner Bestellung. Danach suche ich mir einen Platz und warte auf meinen Cappuccino, während ich zufrieden feststelle, dass die Brünette immer wieder zu mir herüberschaut.
Neben meiner Morgenroutine habe ich mit den Jahren weitere wiederkehrende Verhaltensmuster entwickelt, die zwar nicht destruktiv gemeint, aber dennoch als solche Teil meines Lebensstils geworden sind.
Cappuccino. Apfelkrapfen. Lucky-Charms-Frühstücksflocken.
Mokka. Kaubonbons. Weibliche Kaffeehausketten-Baristas.
Um nur ein paar zu nennen.
Manch einer würde meine Verhaltensmuster als Süchte bezeichnen. Fixierungen. Entwicklungsstörungen.
Ich ziehe es vor, sie als liebenswerte Eigenheiten zu betrachten.
Ich sehe mich im Starbucks um und halte nach meinem Zehn-Uhr-Termin Ausschau – nach einem vorsichtigen Blick, einem wissenden Nicken oder einem Zeigefinger, der an einer Nase entlangstreicht, so wie Paul Newman und Robert Redford es in Der Clou gemacht haben. Aber niemand beachtet mich außer der niedlichen Brünetten und einer attraktiven Asiatin in rotem Mantel und mit Handy am Ohr, die mir ein Lächeln zuwirft, ehe sie durch die Vordertür verschwindet. Hoffentlich taucht mein Käufer überhaupt auf. Wenn mein Geschäft nicht langsam in Schwung kommt, ende ich noch als Hausierer, der das Glück direkt an der Haustür zum Schleuderpreis verkaufen muss.
»Grande Cappuccino!«
Es ist die Brünette, die mir am Tresen mein Getränk übergibt. »Das Tattoo steht dafür, dass es weder Anfang noch Ende gibt«, erklärt sie und präsentiert mir ihr Handgelenk wie eine Opfergabe. »Das zeitlose Wesen des Geistes, wie du gesagt hast. Ich glaube nicht an Glück.«
»Schade«, erwidere ich und nehme meinen Cappuccino. »Ich hatte mich schon drauf gefreut, mein Glück bei dir zu versuchen.«
Ich lächle sie an, kehre dann zu meinem Tisch zurück und versuche dort, beim Warten nicht allzu verzweifelt auszusehen.
Früher war mein Leben leichter. Das Glückswildern bot genau das, was ich mir immer gewünscht hatte: Freiheit, Reichtum und unbegrenzte Möglichkeiten. Ich hatte alles – und noch mehr. Aber das ist das Problem daran, wenn man denkt, man wäre ganz oben. Irgendwann glaubt man, dass einem die ganze Welt gehört.
Vor drei Jahren heuerte mich eine Frau in Tucson für eine Auftragsarbeit an. Sie hatte kein spezielles Opfer im Sinn, aber ein spezielles Ergebnis. Etwas, das ich noch nie gewildert hatte. Ich hätte diesen Auftrag nicht annehmen sollen. Aber die Summe, die sie mir bot, war einfach zu hoch, um sie mir entgehen zu lassen.
Für Menschen, die damit geboren werden, ist Pech nicht giftig. Sie leben einfach damit, und ihr System hat sich irgendwie daran gewöhnt. Aber für Wilderer und Menschen, die nicht damit geboren wurden, ist Pech wie ein Virus. Er vermehrt sich exponentiell, je länger er im Körper bleibt. Großvater hat mir auch Geschichten über Wilderer erzählt, die nur mit Pech handeln. Gespenster nannte er sie. Ich habe keine Ahnung, wie es sich anfühlen muss, wenn man hauptberuflich Pech stiehlt. Das eine Mal hat mir mehr als
Weitere Kostenlose Bücher