Pechvogel: Roman (German Edition)
machen?«, meint eins der anderen Kids. Ich weiß nicht, welches. Für mich sehen sie alle gleich aus.
Oben an der Lombard Street sehe ich den Latino-Ehemann, dessen Kamera ich aus Versehen gestohlen habe, und bemerke, dass er auf mich zeigt. Und offensichtlich hat der breitschultrige, affenähnliche Typ an seiner Seite beschlossen, die Rolle des freundlichen Rächers zu übernehmen.
Na prima. Das wird ja immer besser.
»Hört mal«, sage ich, »ich weiß nicht, was sie euch erzählt hat …«
Bevor ich den Satz zu Ende bringen kann, trifft mich eine Faust mitten ins Gesicht. Ich habe keine Ahnung, wer da zugeschlagen hat. Ich habe es nicht einmal kommen sehen. Doch kurz darauf taumele ich schon und fasse mir an die Nase, um den plötzlichen Blutstrom irgendwie aufzuhalten.
Der Corey-Verschnitt und seine Skaterjungs kommen näher, um mir den Rest zu geben. Manche lassen ihre Boards fallen, um die Fäuste frei zu haben, andere umgreifen sie fester, um ihre fahrbaren Untersätze als Waffe zu benutzen. Derweil haben der Latino und sein Leibwächter den Treppenabsatz erreicht und kommen nun zu uns herüber, um mitzumischen.
Kennen Sie diese Momente, in denen man genau weiß, dass man jetzt komplett am Arsch ist?
Zum Beispiel, wenn man merkt, dass sich der zweite Fallschirm nicht öffnet?
Oder wenn man von der Polizei wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten wird und zehn Kilo Koks dabeihat?
Oder wenn man nackt im Bett aufwacht – neben seiner Schwiegermutter?
Als ich mich schon frage, ob ich mich aus der Sache herausreden kann oder ob ich mir lieber aufs Geratewohl ein paar Hände schnappen und darauf hoffen soll, dabei auf eine echte Glücksader zu stoßen, hält plötzlich die niedliche kleine Schlampe auf ihrem Roller direkt neben mir an und sagt: »Steig auf!«
Ich bin gerade nicht wirklich in der Position, um mich empört zu geben oder einen Streit über die Etikette beim Glückswildern vom Zaun zu brechen. Also klettere ich auf den Sitz hinter ihr, lege den Arm um ihre Hüfte und halte mich gut fest, als sie Vollgas gibt.
Sie biegt rechts in die Chestnut Street ein, und für einen kurzen Moment scheint die Luft rein zu sein. Aber dann schaue ich zurück und sehe in nicht einmal einem Block Entfernung ein ganzes Rudel Skater. Die Jungs setzen uns nach und rasen uns auf ihren Brettern in die Jones Street hinterher. Sie sind schneller als wir. Ohne Rücksicht auf Verluste brausen wir über die Lombard-Street- und über die Greenwich-Street-Kreuzung. Unsere Verfolger sind weniger als einen halben Block hinter uns, als sich das Roller-Mädchen die legendäre Topographie von San Francisco zunutze macht und damit eine uralte Volksweisheit bestätigt:
Man kann einen Berg nicht hinaufskaten.
Sie hingegen ignoriert das Stoppschild an der Kreuzung Filbert Street und fährt den Hügel hinauf. Hier hat die Jones Street eine Steigung von dreißig Prozent, und wir fliegen sie daher nicht gerade hoch, aber es reicht: Als ich mich erneut umschaue, springen die Skaterjungs von ihren Boards und geben die Verfolgung auf. Selbst Corey gibt sich den Gesetzen der Physik schließlich geschlagen.
Ich atme erleichtert auf und halte mich weiterhin an der Hüfte des Roller-Mädchens fest, um nicht vom Sitz zu fallen.
»Das ist nicht meine Hüfte«, sagt sie.
»Wie bitte?«
»Das ist nicht meine Hüfte, an der du dich da festklammerst. Versuch es weiter unten.«
»Oh.« Ich korrigiere meinen Griff. »Tut mir leid.«
An der Ecke Jones und Union Street fährt sie rechts ran, und wir schauen uns um. Am Fuß des Hügels in zwei Blocks Entfernung sehen wir die Skater in eine andere Richtung davonrollen.
»Tut mir leid, das Ganze«, meint sie.
»Welcher Punkt genau?«, frage ich, steige vom Roller und wische mir das Blut von der Nase. »Dass du mir die Beute weggeschnappt hast? Oder dass du ihn und seine Kumpels dazu gebracht hast, mir in den Arsch treten zu wollen?«
»Der zweite«, erwidert sie. »Ich wollte dich nur für eine Weile aufhalten. Dass die handgreiflich werden, hätte ich nicht gedacht.«
Aus der Distanz sah sie vorhin nur potenziell niedlich aus, doch jetzt und aus der Nähe gibt es keinen Zweifel mehr darüber. Saubere Haut. Leichte Stupsnase. Zierlicher Kiefer. Nettes Lächeln. Und ihre Brüste sind echt. Also nicht, dass ich das gespürt hätte oder so.
»Und übrigens: Ich habe dir nichts gestohlen. Wir haben ihn gleichzeitig gesehen. Ich war nur schneller unten am Hügel als du.«
»Darum geht
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