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Pechvogel: Roman (German Edition)

Pechvogel: Roman (German Edition)

Titel: Pechvogel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. G. Browne
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über ein Dutzend andere das Leben kostete.
    Als die Hilfskräfte schließlich eintrafen, nutzten sie einen der Aufzüge zum Transport der Opfer – ohne zu wissen, dass die Hitze der Explosion die Kabel beschädigt hatte. Als sich die Lifttüren schlossen, riss das Kabel, der Fahrstuhl stürzte fünfundsiebzig Etagen hinab bis in den Keller – und mit ihm Betty Lou Oliver. Oliver überlebte den Sturz, und im Krankenhaus behandelte man ihre schweren Verletzungen. Sie hält noch heute den Weltrekord für den höchsten überlebten Fall mit einem Aufzug.
    Im Augenblick fühle ich mich ein bisschen wie Betty Lou Oliver. Angeschlagen und blutverschmiert stolpere ich von einer Katastrophe in die nächste.
    Ich verlasse den Bus am Union Square und gehe die Geary Street entlang nach Osten, lasse das Warenhaus Macy’s und das Luxushotel Westin St. Francis hinter mir, bis ich zur Market Street gelange. Dort laufe ich die Serpentine hinauf – vorbei an einem Obdachlosen, der sorgfältig allen Rissen und Spalten im Asphalt ausweicht; an einer Frau, die in einem Türsturz steht und einer anderen viel Glück wünscht, und an mehreren Restaurants und Läden, die mit Glückskatzen in ihren Fenstern offenbar das Glück beschwören wollen.
    Menschen sind so ein abergläubisches Pack. Sie zünden Reiki-Kerzen an und wünschen sich Wohlstand und Überfluss herbei. Sie klopfen auf Holz, damit das Glück ihnen treu bleibt. Tragen zu ihrem Schutz Glücksbringer, Amulette und Talismane mit sich herum, seit der erste Höhlenmensch von einem Wollhaarmammut platt getrampelt wurde.
    Die meisten Menschen wissen nicht einmal, warum sie all diese Dinge tun, um Glück anzulocken oder Pech zu vermeiden. Sie haben keine Ahnung, welche historischen Zusammenhänge diesen irrationalen Verhaltensweisen zugrunde liegen.
    Die Sitte, auf Holz zu klopfen, stammt von den Heiden, die damit Baumgeister beschwören wollten. Salz über die linke Schulter zu werfen sollte den sich anschleichenden Teufel blenden. Und die Zahl Dreizehn ist eine Unglückszahl, weil dreizehn Menschen an dem berühmt-berüchtigten Letzten Abendmahl teilgenommen haben.
    Doch es würde auch keinen Unterschied machen, wenn die Menschen wüssten, was hinter ihrem Aberglauben steckt. Im Gegensatz zur stillen Überzeugung der meisten Leute und zu den Behauptungen der Esoterik-Betrüger kann man Glück weder erschaffen noch anlocken. Entweder wird man damit geboren oder eben nicht. Kerzen anzuzünden, auf Holz zu klopfen oder seinen Glücksbringer zu reiben verbessert das eigene Glück jedenfalls ebenso wenig, wie der Wunsch nach Sex mit einem Pornostar die Chancen erhöht, wirklich flachgelegt zu werden.
    Aber versuchen Sie bloß nicht, das Doug zu erklären.
    Doug ist ein abergläubischer Typ, gerade mal einundzwanzig und hält sich für einen Gangsta-Rapper. Tatsächlich hat er irisch-italienische Vorfahren, ist im Vorort Danville aufgewachsen und genauso weiß wie alle Einwohner dort – heller als ungetoastetes Weißbrot. Vor ein paar Jahren tauchte Doug aus dem Nichts in meinem Büro auf und suchte einen Job als Aushilfs-Privatdetektiv. Meinte, dass er schon immer Detektiv hatte werden wollen und dass ich doch bestimmt ein weiteres Paar Augen und Ohren auf der Straße brauchen könnte. Dass ich sicher Verwendung für jemanden hätte, der genau wüsste, was vor sich ging, und der mir helfen könnte, jederzeit auf dem neuesten Stand zu sein – auch die News betreffend, die es nicht in die Abendnachrichten schaffen würden.
    Ich sagte ihm, dass ich allein arbeiten würde und mir keinen Assistenten leisten könne – selbst wenn ich einen suchen würde. Aber Doug zog trotzdem los und besorgte sich eine Detektivlizenz, um seine Einsatzbereitschaft unter Beweis zu stellen. Danach tauchte er so lange in meinem Büro auf, bis ich schließlich nachgab. Bei der Gelegenheit wies ich ihn allerdings gleich darauf hin, dass ich nicht viel zahlen könnte und dass ich ihm vermutlich nach einem Monat kündigen müsste.
    Das war vor fast zwei Jahren. Seitdem steht Doug auf meiner Gehaltsliste.
    Meist sind die Informationen, die ich von Doug bekomme, weder beim Wildern noch bei meinen »Privatermittlungen« besonders nützlich. Aber ich mag ihn – und das, obwohl er genauso wenig Ahnung vom Glück hat wie alle anderen. Mittlerweile ist er für mich so etwas wie ein kleiner Bruder. Oder ein treuer Hund, der mir Freude machen will. Außerdem muss ich eins zugeben: Wenn man wissen will, was in

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