Pechvogel: Roman (German Edition)
der Stadt vor sich geht, ist Doug der Ansprechpartner.
Ich finde Doug an der Market Street, Ecke Powell. Er isst einen Apfel und unterhält sich mit einigen Straßenhändlern, die gegenüber vom Westfield-Einkaufszentrum stehen. An ebendiesem Ort soll vor einem Jahr angeblich ein Typ die Menschen ermahnt haben, ihr Konsumverhalten aufzugeben, um sich anschließend in Luft aufzulösen. Das Ganze stellte sich als Betrug heraus, aber einige Leute in der Gegend glauben immer noch, all das wäre wirklich geschehen.
Doug verbringt den Großteil seiner Zeit auf den Straßen der Innenstadt, spricht mit den Leuten und ist einfach nur nett zu ihnen. Das ist seine wertvollste Eigenschaft: Die meisten Menschen öffnen sich jemandem, der ihnen ein Lächeln und eine freundliche Begrüßung schenkt und der noch dazu harmlos und einnehmend wirkt. Und auch wenn Doug sich kleidet wie eine Mischung aus Zirkusclown und Drogenbaron aus dem tiefsten Ghetto, ist er doch eher harmlos.
Heute hat Doug ein zu groß geratenes New-York-Jets-Trikot an, das er in seine gelben Baggypants gestopft hat. Mit Hilfe eines Gürtels, dessen Schnalle in etwa die Größe von New Jersey hat, sitzt die Hose ganz knapp unterhalb seines Hinterns. An den Füßen trägt er rote Basketballschuhe von Nike und auf dem Kopf ein königsblaues Baseballcap mit dem Abzeichen der Los Angeles Dodgers. Um seinen Hals hängt ein gut fingerdickes Goldmedaillon, auf dem die Buchstaben BW prangen.
»Holmes!«, sagt er und beißt von seinem Apfel ab. Er strahlt mich an, doch bereits im nächsten Moment setzt er eine besorgte Miene auf. »Was’n los mit dem Hämoglobin auf deinen Fetzen?«
Zuerst weiß ich gar nicht, wovon er redet – was auch damit zu tun hat, dass ich dem, was er mir zu sagen hat, in mehr als der Hälfte aller Fälle sowieso nicht folgen kann. Aber dann sehe ich an mir herab und bemerke das Blut auf meinem Hemd.
»Ich hab mich beim Rasieren geschnitten.«
»Du brauchst echt einen Spiegel, Holmes. Du hast doch deinen alten Spiegel nicht kaputtgemacht, oder?«
»Nein«, erwidere ich. »Alles bestens.«
»Denn wenn das passiert«, fährt Doug ungefragt fort, »kannst du die sieben Jahre Pech, die so ein zerbrochener Spiegel mit sich bringt, nur rückgängig machen, wenn du dich siebenmal im Kreis drehst.«
»Ich werde darüber nachdenken.«
Doug lächelt, nickt und hebt seine Faust in die Höhe, damit ich mit meiner eigenen geballten Hand wie bei einem High five freundschaftlich einschlage. Ohne es zu bemerken, versetzt er mir dabei einen kleinen elektrischen Schlag. Menschen, die mit Glück geboren werden, ist die elektrische Ladung, die sie abstrahlen, gar nicht bewusst.
Schon mehrfach habe ich Doug erklärt, dass Aberglauben Unsinn ist und Glück wie eine Art Energie, die eben niemand einfach erzeugen oder zerstören kann. Aber Doug meint, dass sein Aberglauben ihm immer Glück gebracht hätte und dass er deshalb nicht die Absicht hätte, ihn an den Nagel zu hängen. Ich habe es nicht über mich gebracht, ihm zu sagen, dass der einzige Grund für sein Glück der ist, dass er eben damit geboren wurde.
Dass Doug vor Glück strotzt, war mir bereits bei unserem allerersten Treffen klar. Zwar kann ich über die Qualität nur spekulieren, aber bei Doug ist irgendetwas ziemlich Solides im Spiel. Was auch immer da durch seine Adern fließt, hilft ihm dabei, an seine Informationen zu kommen, und es hält die Gangmitglieder und die Kriminellen, die wirklich auf der Straße leben, davon ab, ihm in den Arsch zu treten. Allerdings hält Doug selbst den Aberglauben für den Ursprung seines Glücks.
Obwohl ich gerade einen Schuss Glück gut gebrauchen könnte: Doug würde ich niemals bestehlen.
»Wie geht’s, wie steht’s, Holmes?«, fragt er und beißt erneut in seinen Apfel.
»Alles senkrecht.«
Das antworte ich Doug immer auf diese Frage, und aus irgendeinem Grund lacht er sich darüber immer schlapp. Auch dieses Mal beginnt er zu kichern, prustet dann los und schlägt sich vor Lachen aufs Knie.
Weiter oben an der Powell Street warten einige Touristen auf die Straßenbahn, während ein Straßenprediger sie durch sein Megaphon anbrüllt, dass Jesus möchte, dass sie ihre Sünden bereuen. Und dass es sie nur einen Dollar kosten wird.
»Also, was ist Sache, Dog?«
»Es heißt immer noch Bow Wow, Holmes. Das klingt einfach mehr nach einem konkret krassen Gangsta«, erklärt Doug, spitzt die Lippen und macht mit der Hand eine Bewegung, die wohl cool und
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