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Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Titel: Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz , Claudio Honsal
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kleiner Weiler. Nur an den Weggabelungen tun sich regelrechte Wälder auf – Wälder von Hinweisschildern: das vertraute schwarze Tau auf gelbem Untergrund für unseren Franziskusweg, blau-gelbe Wegweiser für die Via di Roma und die Via Francigena di San Francesco und rotweiß-rote Pfeile für ausgewiesene Wanderwege durch Alto Tevere. Sehr verwirrend. Das geruhsame Dahinwandern wird plötzlich zum komplizierten Orientierungslauf. Schon wieder zwei neue Tafeln am Wegesrand: „Pecore al pascolo!“ und gleich darunter der Warnhinweis „Attenzione ai cani pastori!“. Wir durchqueren das Gebiet der Schafzüchter. Gefahr besteht allerdings weniger für die Wanderer als für Schafe und Hunde. Die wenigen Autos, die hier durchfahren, fahren schnell. Oft zu schnell für die braven, aufmerksamen Schäferhunde und deren Herden. Ihre Besitzer wissen sehr wohl, was sie an ihren Wach- und Schutzhunden haben. Auch wenn sie in der Menschensprache eher abwertend als Gebrauchshunde bezeichnet werden (sehr unpersönlich und technokratisch!). Allein, sie werden ja wirklich gebraucht! Beim Gedanken daran, eine Herde vor Greiftieren, Füchsen oder gar Wölfen zu beschützen, gerät der Anteil meines Border-Collie-Blutes in Wallungen. Trotzdem – Fotohund zu sein, ist schon schöner.
    „Pax et bonum!“, „Buon giorno!“, tönt es uns von Weitem entgegen. Eine Fünfergruppe italienischer Pilger nähert sich uns, während ich gerade vor einem grellgelb blühenden Strauch Motiv stehe. „Ein schöner Hund.“ Smalltalk. Vom Lago di Garda und aus Lodi nahe Milano sind sie, die fünf Pilger gesetzteren Alters. Herrchen erzählt unsere Geschichte. Achille, ein hagerer, grauer Pensionist mit weißem Bart verrät uns seine Beweggründe zum Pilgern. Er sucht Trost und Hoffnung und will einen neuen Weg in seinem Leben finden. Einen Ausweg, denn im Vorjahr ist seine Tochter mit 33 Jahren an Krebs gestorben. Erfolgreich im Beruf, glücklich mit ihrer kleinen Familie wurde sie hinweggerafft. Nun sucht der gläubige Achille nach einer Erklärung, einer Antwort, warum der gütige Gott gerade ihn so bestrafen musste. Im Vorjahr hat er bereits den Jakobsweg absolviert. Dieses Jahr soll ihm der
Cammino di Assisi
Trost spenden. Bis Rom wollen er und seine Freunde gehen. Eine nachhaltige Begegnung mit echten Pilgern.
    Wir setzen unseren Weg fort, bedächtiger und etwas ernster. Schneller sind wir unterwegs als jene fünf Mitpilger. Kein Wunder, haben diese als überzeugte Gotteswanderer auch kein Taxi benutzt und eine doppelt so lange Strecke hinter sich. Lang gezogene Kurven, schattige Waldpassagen, ein Foto bei der alten Kirche von Pieve de Saddi, einem in seiner Stille und Verlassenheit geradezu magischen Ort. Es wird langatmig, die Serpentinenstraße wird zur sandigen Endlosschlange. Toni hat wieder ein lohnendes Motiv entdeckt, oben auf einer Kuppe in der Wiese. Seine Schritte werden länger, er wird schneller und läuft voraus. Ich ziehe die gemütliche Gangart des Autors vor und begleite ihn. Nicht lange, dann biege ich unbemerkt ab. Da ist doch eine ganz liebliche Witterung. Ich werde schneller und schneller, die Witterung wird deutlicher, es riecht nach Weibchen. Im Hof eines kleinen Gehöfts sitzt sie und lächelt mich an: Chiara. Neben der beigen Mischlingshündin balgen vier sehr kleine Welpen um die Wette. Man beschnuppert sich, ist sich sympathisch. Es kommt wohl nicht allzu oft vor, dass sich in diese Einöde ein fremder Hund verirrt. Wir schreiben Mai, und meine Hormone spielen kurzfristig verrückt. Soll vorkommen. Da höre ich aus weiter Ferne verzweifeltes Rufen. Mein Name wird in die Stille der Natur gebrüllt, und da steht Herrchen auch schon vor mir. Keuchend und völlig verschwitzt. Zwar findet er die Welpen auch süß und reizend, nimmt mich aber trotzdem mit leicht verzweifeltem Blick etwas forsch an die Leine. So ganz kann er meine Gefühle nicht verstehen.
    Eine kurze Rast ist angesagt, und mir werden die Leviten gelesen. Weglaufen und Herrchen in Angst und Schrecken versetzen, das gibt’s nicht. Als liebestoll werde ich bezeichnet, und all meine Romanzen werden plötzlich öffentlich gemacht. Nicht jeder Italiener muss zugleich ein Casanova sein, und ein Filou bin ich auch nicht. Ja, da war die kleine Kitty in Rimini, die ich sehr mochte, allerdings war ich damals ja fast noch ein Welpe und viel zu jung, um den Sinn der Liebe oder der Erotik zu begreifen. Beschnuppert habe ich viele Hundedamen in meinem Leben, das wird

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