Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
Loreto, und schon nähern wir uns in der Ebene Ponticello. Eine
gelateria
zieht uns geradezu magisch an, und ein Zufall beschert uns eine Begegnung der anderen Art. Ich nehme sofort eine sehr vertraute Witterung auf, diesmal eine menschliche. „Pecorino, caro!“ Sitzen doch ebendort auf der Terrasse Luigi und Ehefrau Monica. Zum allgemeinen Verständnis: Luigi ist ein ausgezeichneter Fotograf und Uraltfreund von Herrchen und mir. Wir haben vor einigen Jahren bei ihm in Perugia lange Zeit gewohnt, und er hat wiederum einige Monate bei Herrchen in Wien verbracht. Welch ein Zufall, oder war es doch göttliche Fügung? Die Freude ist jedenfalls groß. Luigi hat rund um Gubbio eine Fotoserie für ein italienisches Magazin geschossen und hier Lust auf das allseits bekannte Eis bekommen. Erlebtes wird ausgetauscht, die Kameras werden gegenseitig begutachtet, es wird auf höchstem Niveau gefachsimpelt, ich werde beinahe zu Tode gestreichelt, und schließlich wird ein gemeinsames Abendessen in Gubbio, unserem heutigen Etappenziel, vereinbart.
Noch sechs Kilometer bis Gubbio. Gestärkt und erfreut über diese Zufallsbegegnung geht es zügig die Ebene entlang. Herrchen erzählt währenddessen eine Geschichte, die ich längst vergessen hatte – oder verdrängt? Es war 2001, als wir bei ebenjenem Luigi in Perugia wohnten. Wir unternahmen mit ihm einen Ausflug nach Gubbio. Von einem Parkplatz kurz vor der Stadt bot sich eine unglaubliche Aussicht. Luigi stoppte, ich springe aus dem Auto, und genau in diesem Augenblick rollt ein riesiger Touristenbus an uns vorbei. Alles passierte in Sekundenschnelle. Ich bleibe am rechten Kotflügel hängen, und von diesem Moment an kann ich mich an nichts mehr erinnern. Erst wieder an Tonis entsetztes Schreien: „Man hat Pecorino überfahren!“ Leicht benommen, aber bei Bewusstsein habe ich mitbekommen, wie mich Herrchen in Windeseile auf die Rückbank des Autos verfrachtete. Ich hatte ziemliche Schmerzen, die nicht exakt zu lokalisieren waren. Herrchen dachte schon, es sei die Wirbelsäule. Schneller als erlaubt raste Luigi zu einem Tierarzt in Gubbio. Es war Sonntag. Kurze Schilderung des Unfallhergangs, sanftes Abtasten meines ganzen Körpers, und schon lag ich auf dem Röntgentisch. Unangenehm, aber es musste sein. Allgemeines Aufatmen, als der Arzt die Diagnose stellte: Prellungen an der rechten Hüfte. Luigi hatte dem Tierdoktor mittlerweile meine Lebensgeschichte erzählt, und diesmal war der Promibonus eher lästig: Der Veterinär erstellte ein zweites, noch genaueres Röntgenbild. „Nur Prellungen! Etwas Ruhe, und in ein paar Tagen kann der Star wieder unbeschwert laufen und vor der Kamera stehen!“ Bestimmt hat damals schon der heilige Franziskus seine schützende Hand über mich gehalten.
Gubbio liegt beeindruckend angeordnet an den Hängen des Monte Ingino vor uns. Schon im 2. Jahrhundert vor Christi Geburt wurde die alte Etruskerstadt erstmals erwähnt. Zunächst passieren wir aber vor den Toren das alte Teatro Romano. Weltweit das zweitgrößte noch erhaltene Amphitheater aus der Römerzeit. Man renoviert und baut gerade mal wieder, das riesige Areal ist umzäunt und somit für ein Fotoshooting unzugänglich. Je näher wir den alten Stadtmauern kommen, desto imposanter gestaltet sich die Silhouette aus unzähligen Palazzi, romanischen Bürgerhäusern und Kirchen auf dem langgezogenen Hügel. Heute ist Gubbio neben Assisi die Haupttouristenattraktion Umbriens. Früher war es eine der wichtigsten Handelsstädte am Weg von Rom nach Ravenna. In der Stadtinfo erfahren wir so nebenbei, dass hier alljährlich der größte Christbaum der Welt entzündet wird. Im Guinness Buch der Rekorde kann man nachlesen, dass insgesamt 17 Kilometer Kabel Tausende von Glühbirnen erhellen.
Tre Ceri heißt unser Hotel. Es zu finden, gleicht einem Orientierungslauf. Dort, wo die Gassen kaum noch von zwei Personen nebeneinander zu begehen sind, direkt unterhalb der Stadtmauern, sehen wir schließlich das kleine Schild. An seine Größe angeglichen sind auch die Zimmer. Beziehungsweise das Zimmer. Zu dritt müssen wir mit einem dunklen 15-Quadratmeter-Raum vorlieb nehmen. Die Rucksäcke werden auf den beiden Betten gestapelt. Ich bekomme mein Fressen, diesmal italienisches Dosenfutter aus Pietralunga. Mir schmeckt‘s ausgezeichnet, aber meine Kumpane echauffieren sich über den ihrer Meinung nach ziemlich strengen Geruch im kleinen Gästekobel. Die Herren duschen, und blitzartig verlassen wir
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