Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
man wohl noch dürfen. Wenn ich bedenke, wie oft sich meine beiden Begleiter allein in den vergangenen Tagen nach hübschen Frauen umgedreht haben. Richtig verliebt war ich nur ein einziges Mal. Es war in Graz. Eine wunderschöne und entzückende Hundedame. Die Gefühle beruhten auf Gegenseitigkeit, und das hat natürlich auch Herrchen sofort bemerkt. Fazit: Unsere Lovestory wurde in dem Bildband
Pecorino in München
festgehalten. Angeblich soll ich auf den Fotos einen verträumten, verklärten, verliebten Blick haben. Na ja, dass es wirklich gefunkt hat zwischen Jessie und mir, wurde allen Beteiligten allerdings erst Monate später klar. Ende Oktober 2002 konnte die Welt das prachtvolle, wollige Ergebnis unseres Flirts endlich bewundern: acht stramme Welpen. Ich war zum ersten Mal im Leben stolzer Vater geworden. Fünf Söhne und drei Töchter konnte ich nun mein Eigen nennen. Mein Stammbaum, meine Nachkommenschaft ist somit gesichert. Heute habe ich nur noch selten Kontakt zu Jessie, höchstens zweimal im Jahr. Immer wieder ein schönes Erlebnis, aber nicht mehr als eine gute Freundschaft – sehr menschlich. Meine Kinder – ein Sohn ist leider schon kurz nach der Geburt in den Hundehimmel aufgenommen worden – sind in alle Himmelsrichtungen verstreut. Nach Norddeutschland, nach Nürnberg, nach Italien. Kontakt haben wir keinen mehr. Nur Shakeera, die sehe ich sehr häufig, sie hat bei Tonis Schwester ein Zuhause gefunden. Ja, und sie dürfte auch die meisten meiner Gene mitbekommen haben, sie hat längst ihre ersten Gehversuche vor der Kamera absolviert und ist auf dem besten Weg, ein Model zu werden. Vielleicht wird sie ja einmal in meine Fußstapfen treten; bis dahin muss die Kleine allerdings noch sehr, sehr viel lernen.
Stolzer Vater: Meine acht Kinder im Alter von sieben Wochen
Gedanken über Leben und Sterben, Diesseits und Jenseits. Da war Achille, der Pilger, der seine Tochter verloren hat und nun auf den
cammini
dieser Welt Trost sucht. Da war aber auch die Einsamkeit und Stille in der Abgeschiedenheit dieser im Urzustand ruhenden Landschaft. Die verlassenen Friedhöfe, die Ruinen einstiger Kirchen, die man in der Ferne erblicken konnte. Eine sehr spirituelle Etappe, die uns nun in die alte Langobarden-Siedlung Pietralunga führt.
Da liegt sie, die mittelalterliche Ortschaft. Dicht gedrängt auf einem steilen Hügel klebt Haus an Haus. Eng sind die Gassen hin zum alten Uhrturm und zur Chiesa Santa Maria. Auf der gepflasterten, schmalen Hauptstraße drängen sich die Autos. Es ist Freitag und es ist Abend. Eine Unterkunft haben wir bereits telefonisch gecheckt. Empfohlen von unseren fünf italienischen Pilgerkollegen. Gott sei Dank!, wie sich bald herausstellen sollte. Direkt im Zentrum der Festungsanlage von Pietralunga liegt es, das Hotel Tinca. Eine neu renovierte, komfortable Herberge im alten Gemäuer. Die Bar des Hauses dient gleichzeitig als Rezeption. Im Raum dahinter versuchen Jugendliche an Spielautomaten und beim Tischfußball ihr Glück. Im übermächtigen Flatscreen oberhalb der Theke flimmert ein echtes Fußballmatch. „Benvenuti“, strahlt uns der Besitzer Aldo entgegen. Er hat uns erwartet und reicht uns auch schon gleich die Schlüssel für zwei Zimmer im obersten Geschoss mit Blick auf die Via Marconi, die Hauptstraße. „Tutto incluso“, signalisiert uns der emsige Mundschenk und schiebt mir einen Napf mit frischem, kühlem Wasser hin. Herrchen und Autor werden auf einen Willkommensdrink eingeladen, ein Bierchen. Die Atmosphäre ist entspannt und familiär. Nun warte er gerade noch auf fünf italienische Pilger. Herrchen nickt wissend und wundert sich, wo sie wohl bleiben mögen. Dann ist die Luxusherberge ausgebucht für heute Nacht. Kein Wunder, ist das Tinca mit seinen drei Sternen doch das einzige Hotel am Platz. Nur noch beim Pfarrer Don Salvatore könne man spartanische Übernachtungsmöglichkeiten buchen oder in den beiden Agriturismi nahe der Ortschaft. Nebenbei und gleich nebenan betreibt Aldo auch einen Geschenkartikelladen, seine Bar und ein kleines Juweliergeschäft, das auf alten Silberschmuck und modernen Kitsch spezialisiert ist. Er ist ein Tycoon in dieser 2000-Seelen-Gemeinde. Nur ein Restaurant hat er keines – noch nicht. Das Abendessen sollten wir daher in der Pizzeria auf der Piazza zu uns nehmen. Preiswert und ausgezeichnet sei es da. Wir müssen Aldos Rat befolgen, denn mit Restaurants ist Pietralunga ebenfalls nicht gesegnet. Voll war das Gasthaus, und
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