Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
Vom Netzwerk:
quakte. Der Vater flüchtete ständig aufs Dach, wo er Tauben und Hühner züchtete, um ihr albernes Gerede nicht mit anhören zu müssen. Jetzt schlief die Mutter. Es war still, aber die Hitze setzte ihm zu und machte ihn reizbar. Er ging die Treppen hinunter auf den Malecón und setzte sich ans Meer. Vollmond, blaue Nacht. Nach Norden hin sah man in der Ferne dicke Wolken aufziehen, voller geräuschloser Blitze. Man sah nur die zuckenden Strahlen vor dem aufziehenden Sturm. Immer, wenn er hier saß, musste er an seine drei Brüder denken, und er wurde ganz melancholisch.
    Plötzlich spürte er, wie ihn jemand am Nacken packte, zu Boden zog und auf ihn eindrosch. Kein Mensch weit und breit. Luisito schrie. Man drosch weiter auf ihn ein, ins Gesicht, in den Rücken, schmerzhaft hart.
    »Halt, aufhören! Ich bin der Falsche, ich war's nicht, ich war's nicht!«
    »Doch, du Scheißkerl, genau du. Du hast noch Schulden zu begleichen!«
    Dann stießen sie ihn zur Seite, zerrissen ihm das Hemd und ließen von ihm ab. Zwei Hungerleider, genau wie Luisito, alte Freunde aus Kindertagen.
    »He, ihr beiden, was ist denn los, verdammt noch mal? Wir sind doch Freunde! Papo, du bist mein Freund, seit wir klein waren!«
    »Von wegen Freund, du Arsch! Ich bin Chivos Partner. Wie könnte ich mit einem verschissenen Versager wie dir befreundet sein?«
    »Okay, okay, spiel hier nicht den Gangster, du bist genauso beschissen dran wie ich.«
    »War ich mal. Jetzt habe ich einen Haufen Kohle und arbeite mit Chivo. Und du hast mich zu respektieren.« Felipito hielt Luisito die Arme auf dem Rücken fest, und Papo nutzte dies, um ihm mit der Rechten mit voller Wucht in den Bauch zu schlagen. Das tat ziemlich weh. Luisito krümmte sich. Felipito riss ihn wieder hoch. »Luisito, ich werde hier keine großen Reden halten. Du schuldest Chivo sieben Dollar und vierzig Pesos. Morgen kommst du zu mir und gibst sie mir, denn Chivo will deine Fratze überhaupt nicht sehen.« »Wenn nicht morgen, dann übermorgen.«
    »Nichts da! Du gibst sie mir morgen, oder ich zertrümmere dir den Schädel - nicht so zartfühlend wie heute! Du kriegst eine Abreibung, die sich gewaschen hat.«
    »In Ordnung, Mann, ich werde versuchen...«
    »Nicht versuchen... In deinem eigenen Interesse setzt du besser Himmel und Hölle in Bewegung! Ach ja, Chivo lässt dir übrigens noch sagen, dass dein Kredit bei ihm ausgelaufen ist. Wenn du weiter Gras oder Pulver brauchst, dann nur gegen Cash! Ciao, Luisito, und pass auf dich auf, du hast es nötig!«
    Sie drehten sich um und gingen. Luisito tat der ganze Körper weh. Er tastete sich Gesicht und Kopf ab. Zwar blutete er nicht, hatte aber höllische Schmerzen. Er setzte sich auf die Ufermauer und dachte nach.
    »Stimmt. Seit drei Jahren bin ich jetzt am Arsch. So ist das Leben. Wenn du Geld hast, hast du Freunde, ansonsten steckt man dir den Finger in den Arsch.« Bei dem Gedanken daran, wie unglücklich er war, liefen ihm ein paar Tränen übers Gesicht, und er sagte sich: »Luisito, sei stark und treib das Geld auf, denn diese Schweine schlagen dich tot, und du bist noch viel zu jung, um zu sterben. Du darfst noch nicht sterben!« In der Ferne über dem Meer zuckten die Blitze weiter durch die Wolken. Er wünschte, es würde einen Wolkenbruch geben, der für ein bisschen Abkühlung sorgte. Wie der Schwamm mit kaltem Wasser, den man über k.o. geschlagene Boxer wrang, um sie wieder zu beleben. Doch nichts da. Der Südwind wehte heiß und klebrig. Luisito schlenderte in Richtung Alt-Havanna und dachte darüber nach, dass er noch heute Nacht mit der alten Schwuchtel ins Bett gehen musste, um ihr ein paar Scheine aus dem Kreuz zu leiern, und auf dem Weg dorthin kippte er ein paar Gläschen Rum, um sich aufzumuntern.
    Das Meer war ruhig, sehr klar und blau. Bei Vollmond wirkt alles schön. In Ufernähe angelten sieben Typen auf aufgeblasenen Autoschläuchen. Das war zwar ein gutes Geschäft, aber die kühle Nachtluft und der Arsch im Wasser waren nicht gut für die Knochen. Diese Typen waren echte Narren, dachte er.
    Er schlenderte langsam den Malecón hinab, sah den Anglern zu, und ihm fiel das Floß ein, das er mit seinem Bruder und fünf anderen im August 94 gebaut hatte. Um zwei Uhr in der Früh waren sie aufgebrochen, genau von hier. Sie hatten sogar einen Kompass gehabt, um den Kurs Richtung Norden zu halten. Eine halbe Stunde trieben sie so auf diesem Stück Schrott, als dieses wegen Übergewicht zu sinken drohte. Sein

Weitere Kostenlose Bücher