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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Eigentlich was das jeden Tag der Fall. Ich hatte noch fünf Pesos in der Tasche und setzte mich auf den Boden, den Rücken an den Türrahmen gelehnt. Seit Tagen hatte ich nichts mehr zu trinken gehabt, und ich hatte kein Geld. Ich wartete. Worauf? Auf nichts. Einfach nur so. Hier warten alle. Tag für Tag. Niemand weiß, worauf. Die Tage vergehen, und das Gehirn wird stumpf, was gut ist. Manchmal denke ich zuviel und verzweifele. Vor Urzeiten habe ich einmal studiert, war diszipliniert, hatte Ziele für den kommenden Tag, das kommende Jahr, und zog kämpferisch hinaus in die Welt. Dann brach alles in sich zusammen, und ich landete in diesem Schweinestall. Einige hier haben die Krätze, andere Läuse oder Filzläuse. Es ist weder Geld vorhanden noch Essen oder Arbeit, und jeden Tag gibt es mehr Menschen. Ich weiß gar nicht, woher all diese zerlumpten Leute überhaupt kommen. Sie leben wie die Kakerlaken zu zehnt, zwölft in einem Zimmer. Am besten ist, nicht zu viel zu denken und sich zu amüsieren. Rum, Frauen, Marihuana, eine nette kleine Rumba, wenn möglich. Alles andere ist Scheiße, und man stochert besser nicht darin herum, wenn man nicht will, dass es stinkt.
    So ungefähr war mein Zustand, nur noch Haut und Knochen, hungrig wie ein Wolf, spielte ich mit dem Gedanken, mir eine Zigarre für zwei Pesos zu kaufen und zu rauchen und zu vergessen, als Monino kam. »Was tut sich so, Mann?« »Nichts, wie du siehst.«
    »Mir geht's im Moment ganz gut. Komm, wir genehmigen uns einen.«
    Ich ging mit Monino. Ich weiß, was er treibt. Er dealt mit Marihuana und Koks für Chivo. Seine Kunden für das Koks stammen aus El Vedado oder aus Nuevo Vedado. Künstler, Musiker, Sprösslinge von Unternehmern und Bullen, hohe Tiere. Ein Briefchen Koks ist für sechs, sieben Dollar zu haben. Wer kann sich das schon leisten? Ein kleiner Joint ist für zehn Pesos zu haben. Wenn du zwei, drei davon verkaufst, deckt das deine Kosten, und dein eigener ist gratis. Scheiße, an was man alles denken muss, um zu überleben. Wir gingen in ein Cafe auf der Galiano. Monino kaufte eine Flasche. Wir setzten uns auf den Malecón und tranken abwechselnd daraus. Ich kaufte mir eine Zigarre. Kann's Schöneres geben: Rum, Zigarre, auf dem Malecón sitzend, im Rücken das kühle Meer? Im goldenen Licht des Spätnachmittags dümpelte ein weißer, luxuriöser Dreimaster. Le Posant. Er wartete auf den Lotsen, der ihn in den Hafen einweisen sollte. Im Innern saßen bestimmt fünfzig große Tiere. Bestimmt ist es die Mühe wert, Geld zu haben. Und zwar nicht nur das Notwendigste. Viel schöner ist sicher, wenn man etwas über hat und auf eine solche Yacht steigen und die Karibik durchsegeln und den besten Bourbon trinken und mit einem schlanken, vollbusigen Huhn im Arm Mandeln knabbern kann. Was für ein Leben. So muss man nicht mit ansehen, dass an Land die Menschen wie die Kakerlaken wohnen. Von einer Yacht aus sieht man nur Palmen, goldene Sonnenuntergänge und schöne Strande mit türkisgrünem Wasser. Du betrittst eine solche Yacht mit viel Kohle und vergisst all die Scheiße, die du täglich zu tun hast, und all die Leute, die du niedermachen und bedrängen musst, um deine Taschen zu füllen. So ist es nun mal. Geld zieht Geld an, und Armut sucht das Elend. Ich hatte Hunger, aber das vergisst man, wenn man Rum trinkt. Als wir die Flasche ausgetrunken hatten, waren wir ganz schön abgefüllt. Nicht übermäßig, gerade richtig. Monino ist mein Freund. Ich habe ihm viel zu verdanken, und ich versuche ihn zu überreden, eine Werkstatt zum Aufarbeiten von Matratzen aufzubauen. Das habe ich im Gefängnis gelernt. Zwei Jahre habe ich in einer solchen Werkstatt gearbeitet, und es hat mir gut getan. Es ist ein leichter Job, aber was soll's. Monino will von Jobs nichts wissen. Er ist ein Mann des Stoffs, Gras und Koks, nichts weiter. »Mann, lass mich zufrieden. Was soll ich mir ein Bein ausreißen. Komm, ich habe zwei kleine Joints. Die werden uns gut tun.«
    »Zwei? Mann, lass dich knutschen! Komm, wir gehen hoch aufs Dach.«
    Es war schon dunkel. Wir betraten das Gebäude und stiegen hinauf, ohne dass uns jemand sah. Aber auf der Dachterrasse war Jorgito und holte sich einen runter, während er durchs offene Fenster einem Paar beim Vögeln zusah. Man konnte sie nicht so genau sehen, dazu reichte das Licht nicht, aber Jorgito erahnte sie. Wir sahen auch eine Weile zu, aber sie waren schwierig zu erkennen. »Komm schon, beeil dich, werd fertig, wir wollen

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