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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Schmerzen mehr. Das Entsetzen hatte sie betäubt. Ihr Gehirn schwamm in einer zähen Flüssigkeit, und ohne nachzudenken murmelte sie stockend: »Wenn mein Mann zurückkommt, bringt er euch um. Er ist Polizist. Er wollte nur Zigaretten holen, aber er wird euch erschießen.«
    »Ein Polizist?«, fragte der Schwarze.
    »Ja. Er wird euch umbringen, wenn er euch hier vorfindet. Haut bloß ab!«
    Jetzt begannen die beiden vor Angst zu schlottern. »Stich sie ab, Mann, und weg hier!«, sagte der Weiße. »Nein, du Idiot, meine Fingerabdrücke sind doch überall.« Der Schwarze nahm Bettys Bluse vom Boden auf und ging in die Küche, um den Mixer zu säubern und die Rückenlehne eines Stuhls. Zitternd kam er zurück. Seine Beine schlotterten ihm vor Angst.
    »Stich sie ab, Mann, los, stich sie ab! Die Alte kennt uns jetzt.«
    Mit zitternder Hand setzte ihr der Schwarze das Messer an die Kehle:
    »Hör zu, alte Schlampe, du wirst kein Sterbenswörtchen von dir geben, verstanden? Denn sonst komme ich zurück und mache Hackfleisch aus dir. Werd meinetwegen verrückt, mach, was du willst, aber vergiss mein Gesicht, vergiss uns beide.«
    »Stich sie ab, Mann! Vergiss deine Predigt und stich sie ab!« Dem Schwarzen zitterte die Hand.
    »Nein. Mach du's doch. Warum soll ich immer alle tot machen? Da, nimm das Messer und stich sie ab.« Und er hielt ihm das Bajonett hin.
    »Nein, nein, nein! Los, weg hier, das wird mir jetzt zu blöd!« Der Schwarze behielt das Messer. Er riss die Tür und das Gitter mit der mit Bettys Bluse umwickelten Hand auf, und weg waren sie.
    Entsetzt und blutend blieb Betty auf dem Sofa liegen. Im Altersheim nebenan rief ein alter Mann mit Arteriosklerose dauernd: »Rosa, Rosa, Rosa, Rosa.« Durch die halb offene Tür konnte Betty ihn hören. Ihre Gedanken schweiften undeutlich um das traurige Los dieses alten Mannes, der jeden Abend von neuem seine verzweifelten Litaneien hören ließ. Das Geschrei des Alten wurde immer leiser. Als sie wieder zu sich kam, war es fast Nacht. Alles war still. Das Blut war klebrig angetrocknet. Trotz aller Schwäche versuchte sie aufzustehen. Es gelang ihr nicht. Die Hände waren noch auf dem Rücken zusammen-gebunden. Sanft ließ sie sich zu Boden gleiten und rappelte sich hoch, bis sie stand. Alles drehte sich in ihrem Kopf. Sie lehnte sich an die Wand, und wieder machten sich Angst und Panik in ihr breit. Was, wenn sie zurückkamen? Sie konnten zurückkommen und sie niederstechen, damit sie nichts sagte. Es war totenstill. Sie überwand ihren Schwindel und ihre Panik und ging hinaus, lehnte sich mit dem Rücken an die Tür ihres Nachbarn und trat dagegen. Sie war barfuß, völlig nackt, ohne jede Kraft. Immer wieder trat sie gegen die Tür. Neben ihr wohnte ein alter Mann allein, genau wie sie. Die Minuten vergingen. Wahrscheinlich schlief er. Schließlich kam der Alte, fragte, wer da sei, und öffnete die Tür ganz vorsichtig einen Spalt. Betty erzählte ihm alles. Es war drei Uhr morgens. Sie war neun Stunden ohne Bewusstsein gewesen. Jetzt hatte sie das Gefühl, gleich wieder in Ohnmacht fallen zu müssen.
    Der alte Mann band ihr die Hände los und half ihr, sich wieder aufs Sofa, in die Blutlache zu legen und sagte, er wolle gleich einen Arzt holen. Der Alte schiss vor Angst in die Hosen, riss sich aber zusammen. Ganz vorsichtig ging er hinaus auf die Straße. An der Ecke musste er ein paar Minuten warten, bis schließlich ein Streifenwagen vorbeikam. Wenige Minuten darauf ertönte die Blaulichtsirene und weckte das Viertel. Sie brachten Betty in ein Krankenhaus, wo man sie behandelte und ihr Bluttransfusionen verabreichte. Sie beschrieb die beiden Kerle, und ein Experte fertigte Computerporträts an. Eine Woche später durfte sie nach Hause. Sie kann nachts nicht mehr schlafen und glaubt fest, dass die Typen zurückkommen. Zweimal schon war auf der Straße eine Frau an sie herangetreten und hatte ihr zugeflüstert:
    »Sie haben dir doch gesagt, du sollst die Schnauze halten. Jetzt werden sie dir die Zunge herausschneiden.« Sprach's, wandte sich um und war verschwunden. Betty macht sich jeden Tag größere Sorgen. Sie weiß nicht mehr, was sie tun soll.

 
     
Der Lehrling
     
    Ein grässlicher feucht-heißer Südwind wehte, wirbelte viel Staub auf und sorgte für noch größere Verschmutzung. Luisito konnte die erstickende Hitze bei sich zu Hause nicht länger ertragen, ebenso wenig wie die Dummheit seiner Mutter, die unablässig von Kirche und Gott und Sündern

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