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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Grund für den Streit mit seiner Frau gewesen. Keine Frau hielt das aus. Und er konnte sich nicht beherrschen. Es gefiel ihm, sie zu schlagen und anzubrüllen und als Nutte zu beschimpfen, und er konnte nicht anders. Zum Glück dachte er niemals nach, redete nicht, fürchtete sich nicht, machte sich keine Sorgen. Er schlug sich durchs Leben, so gut er konnte, ohne etwas zu erwarten oder zu begehren. Sein Leben war einfach: bescheidene Mahlzeiten, irgendwie auf dem kleinen Kerosinherd zubereitet, Kaffee, Tabak und viel Arbeit. Er vergrub sich in der Arbeit. Kein Alkohol, keine Frauen, keine Spiele, keine Freunde, keine kostspieligen Laster, die Ausgaben für Tabak und Kaffee waren hoch genug. In einer Ecke unter einem Haufen verstaubtem Krempel hatte er unter einer losen Fliese ein Loch ausgehoben, das er sorgfältig mit Zement bedeckte. Darin verwahrte er Tausende von Pesos. Das war seine einzige Leidenschaft: Er räumte das verrostete Zeug zur Seite, nahm die Fliese vom Boden hoch, zog das Geld hervor, zählte es und legte etwas dazu. Niemals nahm er davon einen Schein, selbst wenn er hungerte. Alles, wonach er sich sehnte, war, die Geldscheine in seinen Händen zu spüren. Drei Dinge machten ihn glücklich: Geld, Kaffee und Tabak. Er wusste nicht einmal, warum er diesen Altar aufgebaut hatte. Niemanden flehte er um etwas an, und beten konnte er sowieso nicht.
    Mehrfach hatte er daran gedacht, ihn abzunehmen und auf den Müll zu werfen. Doch das wagte er nicht. Der Kaffee war jetzt fertig. Er schenkte sich ein Glas voll und zündet sich eine gute Zigarre an, öffnete die Tür und setzte sich auf die Türschwelle, um zu rauchen. Er sah zu, wie die Leute vorübergingen, der eine oder andere Lkw vorüberfuhr, hier und da ein Fahrrad. Er sah ihnen nach und rauchte.
    Nichts geschah, nichts war schrecklich, nichts war schön. Nur sein Zorn brach manchmal aus, loderte auf wie ein unkontrol-liertes Strohfeuer. Dann legte er sich wieder. Zorn war für viele Männer der Untergang. Nicht für ihn. Ihn konnte nichts mehr erlösen und nichts mehr verdammen.

 
     
Casino Esperanza
     
    Ein grüner Jeep mit zwei roten Fahnen und zwei Lautsprechern raste San Lázaro hinunter. Er verbreitete Polit-Propaganda, so schnell, dass man kein Wort verstand, abgesehen von Bruchstücken:
    »Wir machen Geschichte - auf den Stufen der Universität - ein historischer Aufstand.«
    Er sauste vorüber wie der Blitz, und die Straße lag wieder still und ruhig in der gleißenden Mittagssonne. Am Himmel war keine Wolke.
    Am Malecón badeten die Jungs aus der Nachbarschaft. Sie sprangen in das schmutzige Wasser am Küstenrand, öl-schillernd von all den Schiffen und voller Pisse und Scheiße aus der Stadt. Alle Abwässer fließen ins Meer, aber die Jungs und einige Erwachsene kommen trotzdem hierher. Stundenlang sitzen sie in der Sonne, trinken Rum, essen Eis, ignorieren den Gestank nach Kloake und haben Spaß miteinander. Die Touristen schießen Fotos von ihnen, und sie verharren reglos wie hypnotisiert, lachend oder mit Grimassen für die Kamera. Nach jedem Foto geben sie ihre Reglosigkeit flugs auf, laufen hin und betteln um ein paar Münzen.
    Ich sah ihnen einen Moment lang zu, aber nichts erregte meine Aufmerksamkeit. Es waren nur magere, schmutzige Frauen mit vielen Kindern da. Ich blieb noch ein Weilchen auf der Lauer, vielleicht tauchte doch noch etwas Appetitliches auf. Als alleinstehender Mann im Dschungel ist man ständig auf der Jagd, tagein, tagaus. Viel braucht man nicht: etwas Geld, etwas zu essen, ein wenig Rum, ein paar Zigarren und eine Frau.
    Wenn ich ohne Frau bin, werde ich neurotisch, aber eine plumpe, blöde Frau, die ständig an meiner Seite ist, geht mir auf die Nerven. Und alle wollen immer dasselbe: Anfangs vögeln sie fröhlich, trinken Rum und lachen sich über alles schlapp, was man sagt, ganz entzückend. Später dann wollen sie all das auch, aber darüber hinaus verlangen sie, dass man sich jeden Tag abrackert, um Geld zu verdienen und sie und ihre drei, vier Gören ernährt, die sie von drei, vier verschie-denen Männern haben, die über sie drübergerutscht sind und dann verschwanden.
    Nicht mit mir. Sollen sie sich durchschlagen, so gut sie können, und ihren Bälgern ruhig den Hals umdrehen. Es gibt wirklich schon viel zu viele von uns.
    Aber nichts da. Mit zwölf fangen sie an zu vögeln, mit vierzehn kriegen sie ihr erstes Kind, und mit fünfundzwanzig haben sie vier, fünf schreiende Gören, die bettelnd in der

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