Pedro Juan Gutiérrez
Nachbarschaft umherlaufen. Manchmal denke ich, ich bin arm gegen meinen Willen. Arme können ihre Umgebung nicht allzu sehr analysieren, denn sonst werden sie verrückt oder hängen sich auf. Und ich Blödmann verbringe mein ganzes Leben damit, die düstere Landschaft zu betrachten und nachzu-denken. Eine schlechte Angewohnheit, kann tödlich sein.
Da ging mir ein Licht auf: Verdammt, warum ging ich nicht zur alten Esperanza auf ein Spiel Domino? Der Einsatz dort beträgt fünf Pesos. Mit etwas Glück konnte ich mich ein wenig erkubern. Es gab keinen Grund, anzunehmen, dass ich verlieren würde. An Schlechtes darf man gar nicht denken, denn das bringt Unglück. In meiner Tasche waren noch zwanzig Pesos.
Die Alte wohnte bei mir im Haus im zweiten Stock. Sie ist eine Santera. Sobald ich eintrat, spürte ich etwas Merkwürdiges. Sie arbeitet mit vielen Toten. Ich habe davor keine Angst, weil ich gegen alles immun bin. Aber trotzdem ist es bedrückend, wenn so viele tote Seelen um einen herumschweben.
Esperanza ist sehr alt und scheint ihre Gabe verloren zu haben, darum hat sie kaum noch Kunden. Irgendwie musste sie Geld verdienen, deshalb hatte sie vor einem Jahr einen Tisch für Domino aufgestellt und einen für Würfel. Sie kassiert an der Tür zwei Pesos, alles andere machen wir Spieler unter uns aus. Manchmal hat sie kaltes Bier. Rum und Zigaretten fehlen nie. Und natürlich nimmt Esperanza Nummern für die Lotterie aus Venezuela entgegen, die wir nachts klar und deutlich auf Radio Margarita empfangen. Na, jedenfalls war dieser Treffpunkt alles in allem eine gute Idee. Die Lästermäuler in der Nachbarschaft nennen es »Casino Esperanza«.
Beide Tische waren besetzt, und acht Männer warteten, bis sie an die Reihe kamen. Ich stellte mich in die Schlange bei den Würfeln, denn Dominopartien dauern länger. Esperanza war in der Küche. Ich ging zu ihr, zahlte meine zwei Pesos Eintritt, kaufte ihr einen doppelten Rum ab, und wir unterhielten uns ein wenig. Sie versuchte, mich dazu zu überreden, sie zu konsultieren, und machte mir Angst, so gut sie konnte.
«Du musst dich dringend gründlich untersuchen lassen, Pedro Juan. Ich sehe an deiner Seite einen sehr kräftigen Schwarzen, aber nur von hinten. Und manchmal einen Indianer, aber auch nur von hinten. Du musst eine Indianerfigur kaufen und mir bringen, damit ich sie behandeln kann. Dann stellst du sie bei dir im Zimmer auf. Erst halten wir eine Séance ab, dann ergreifen wir Gegenmaßnahmen.« Sie erzählt mir immer das-selbe. Ich antworte nie, ihre Konsultation interessiert mich nicht. Ich habe schon eine: die bei meiner Patentante. Esperanza wusste sehr wohl, dass sich diese Dinge nicht überkreuzen durften und zu respektieren waren. Doch um sich ein paar Dollar zu verdienen, erteilt sie Mohammed eine Konsultation und ist wirklich imstande, ihm zu sagen, sie würde ihm eine Halskette anfertigen, da er der Sohn von Changó war. Was mich hier wirklich interessierte, war, ein paar Geschäfte zu machen. Seit Tagen versuchte ich sie davon zu überzeugen, aber sie wich mir ständig aus. Ich würde gern noch einen Würfeltisch aufstellen, einen richtigen. Und ich wäre der Dealer. Jeden Tag übte ich, und jeden Tag wurde ich geschickter und schneller.
»Esperanza, hör mir doch zu. Ich kann einen Tisch mit grünem Filz und ein Spiel chinesischer Würfel aus Elfenbein bekommen - alles nagelneu und professionell. Wahnsinnig elegant. Das würde diesem schäbigen Etablissement Klasse verleihen.«
»Ich muss doch bitten, Pedro Juan, ein bisschen mehr Respekt! Du hast doch sonst Manieren. Wie heißt das Spiel?« »Monte y dado. Du musst dich daran erinnern, es wurde bis 1959 in allen Casinos Havannas gespielt.«
»Ach ja, aber ich hatte den Namen vergessen. Außerdem bin ich nie ins Casino gegangen.«
»Nein. Deine Laster waren anderer Art.«
»So alt bist du doch noch gar nicht, Pedro Juan. Woher weißt du das?«
»Esperanza, du wirst arteriosklerotisch!«
»Also bitte! Etwas mehr Respekt! Wir sprechen hier ernst-haft.«
»Madame, ich habe Ihnen schon zwanzigmal erzählt, dass ein Onkel von mir Dealer im Montmartre war und den Filz und die Würfel hat. Er trainiert mich, und der Dealer hier werde ich sein. Aber ich will dir noch etwas verraten, und du wirst dir die Finger lecken: mein Onkel hat eine Kiste mit hundert Kartenspielen - alle versiegelt. Also kann ich einen Tisch mit Black Jack und einen anderen mit Poker aufmachen.«
»Ach, du willst mich
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