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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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ich erst seit fünf Tagen.«
    »Aha.«
    Vivian war ein weißes Flittchen, groß, kräftig, mit blondiertem Haar und sehr geschäftstüchtig. Sie hatte immer Geld in der Tasche und war stets sauber, parfümiert und gut gekleidet, mit goldener Kette um den Hals. Sie passte so gar nicht zu diesem Hungerleider, der wie ein Bettler aussah.
    »Ist Vivian da?«
    »Ja, sie hört sich ein Hörspiel im Radio an, und ich wollte ein bisschen Luft schnappen.«
    »Wir kennen uns gut, mal sehen, ob sie Kaffee hat.« Vivian gab mir Kaffee und hörte sich weiter ihr Hörspiel an. Ich ging mit Baldomero zurück aufs Dach.
    »Und was machst du hier so, Mann? Wie verdienst du deinen Unterhalt? Havanna ist hart. Bei mir auf dem Dorf ist es auch nicht leicht, aber hier ist's noch viel härter.«
    »Nein, im Gegenteil. Hier ist mehr Bewegung. Aber du bist ja gerade erst gekommen.«
    »Na, vielleicht. Ich bin zum ersten Mal in Havanna. Und zurück kann ich nicht mehr, ich wüsste nicht, wohin.«
    »Was heißt das?« »Ach...«
    »Du bist kräftig, Baldomero, du könntest jede Arbeit machen.«
    »Ja, ich bin zwar etwas dünn, aber so war ich immer, von Kind an. Doch kräftig bin ich. Auf dem Land habe ich alles gemacht.«
    »Na gut, Mann, dann setz dich mal in Bewegung, denn hier oben verhungerst du sicher.«
    »Vivian sagt, sie kennt ein paar Typen aus dem Markt am Cuatro Caminos. Morgen gehe ich zu ihnen. Wenn sie dort für mich einen Job haben...«
    »Ich habe da auch mal eine Zeit lang gearbeitet, und sie haben mir dreißig Pesos am Tag gezahlt. Aber nur dass du's weißt: der Job ist von Montag bis Sonntag, von spätestens morgens um sechs bis abends um sieben. Ziemlich krass.« »Aber es gibt noch andere Möglichkeiten.«
    »Klar. Du machst ein paar Geschäftchen nebenbei und nimmst noch was zusätzlich ein.«
    »Das habe ich vor, Kumpel. Ich sollte vielleicht gleich mal hingehen, ist es weit?«
    »Nein, zehn, zwölf Häuserblocks die Belascoaín hoch, dann siehst du es schon.«
    In den darauffolgenden Tagen war der Typ pausenlos zugange, immer schmutzig, unrasiert, geschwätzig. Er machte alles im Markt, kehrte den Boden und stapelte Säcke, immer heiter und gelassen. Einen Monat später trafen wir uns zufällig wieder auf dem Dach, und er stieß mit einem Glas Rum auf mich an.
    »Wir haben uns ja lange nicht gesprochen, Kumpel. Warte, ich hab Rum.«
    Er ging in sein Zimmer und brachte mir ein Glas Rum. »Ich habe eine Flasche. Wenn sie leer ist, hole ich noch eine.«
    »Mensch, Baldomero, hast du etwa schon ein Vermögen gemacht?«
    »Nicht ganz, nur ein paar Pesos... Ich hab was an der Hand, das ein bisschen was abwirft.«
    »Aha.«
    »Schweineleber.«
    »Aha.«
    »Die geht nicht so gut auf dem Markt. Ich kaufe sie billig auf und verkaufe sie weiter.«
    »Aha.«
    »Ich habe welche im Kühlschrank. Echt gut. Wenn du jemanden kennst, der sie kaufen will, schick ihn zu mir.«
    »Schweineleber ist gut.«
    »Und so nahrhaft! Warte, ich schenk dir ein Stückchen. Du bist ein echt netter Kerl.«
    »Nein, nicht doch, Baldomero, damit verdienst du dein Geld, das darfst du nicht verschenken.«
    »Ach was, Mann, ein Stückchen Leber mehr oder weniger wird mich nicht ärmer machen.«
    Er ging zurück in Vivians Zimmer und kam mit einem Prachtstück von Leber wieder. lsabel briet sie nach italienischer Art mit viel Knoblauch, und sie war köstlich. Das Stück war riesig und reichte für zwei Mahlzeiten. Danach kaufte ich ihm zweimal etwas ab, nicht sehr teuer. Innerhalb weniger Monate war Baldomero aufgestiegen. Er kaufte sich Klamotten, sah aber nach wie vor aus wie ein schmuddeliger Hungerleider.
    Über Vivian hatte sich ein Schatten gelegt, als habe sich Bal-domeros Verwahrlosung auf sie übertragen. Sie machte keine Geschäfte mehr und ging nicht mehr aus dem Haus. Sie war immer eine fröhliche, nette Frau gewesen, hatte viele Männer gehabt und Partys bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Jetzt war sie still und zurückgezogen. Baldomero brachte jeden Tag mehr Leber an. Er hatte Stammkunden und schenkte - um sich beliebt zu machen - öfters dem einen oder anderen Nachbarn ein Stückchen. Es wurde Dezember, und ich wartete darauf, dass die ersten Nordwinde einsetzten, damit ich mich wieder ins Meer stürzen konnte. Ich hatte noch ein bisschen Marihuana in meinem Zimmer versteckt, und das verkauften wir. Damit kamen wir über die Runden, denn lsabel hatte beschlossen, Ehefrau zu spielen, weil die Yankees sie angeblich ankotzten.
    »Wen

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