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Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Scheuer
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anderen, von denen er ihr erzählte, wirklich gegeben hatte, vielleicht auch Strohwangs Schatz. Sie wollte alles so aufschreiben, wie es in Rosarius’ Erinnerung gewesen war.
    Kurz vor Keldenich bog sie auf den holprigen Feldweg ab, der zu den Windkraftanlagen führte. Sie fror, ruckelte auf dem Sitz, um sich zu wärmen. Sie konnte es kaum erwarten, Azzurro wiederzusehen. Drei Tage war sie nicht bei ihm gewesen. Die Pferdeweide lag neben einem Stromhäuschen, nicht weit entfernt ragten die dicken Türme der Windkraftanlagen in den Morgenhimmel. Als sie näher kam, hörte sie das Brummen der sich langsam drehenden Rotoren. Azzurro stand inmitten der Herde, sein Fell war weißgrau, mit dunklen Tupfen. Als der Hengst auf die Weide hinauslief, löste sich seine Gestalt im Nebel auf, und er war beinahe unsichtbar geworden.
    Nachdem Annie ihren Roller vor dem Stromhäuschen geparkt und den Helm abgenommen hatte, sah sie den Hengst freudig herantraben, er reckte seinen Hals über den Zaun, schnaubte und ließ sich streicheln. Annie hatte Möhren aus der Küche des Altenheims mitgebracht. Sie fütterte zuerst Azzurro, dann, als sie überdie Wiese zum Stall ging, folgten ihr auch die anderen Pferde zögerlich. Sie legte sich im Schuppen ins Heu und sah zur Herde hinüber. Annie kannte sich mit Pferden aus, sie hatte auf einem Hof gearbeitet und wollte Pferdewirtin werden. Aber alles, was sie bisher angefangen hatte, war misslungen. Doch jetzt hoffte sie, dass sich etwas ändern werde, sie träumte davon, Azzurro zu kaufen, einen Pferdehof zu besitzen. Der Hengst war bestimmt nicht teuer, da er sich von niemandem außer ihr reiten ließ. Aber sie verdiente gerade genug, um leben zu können.
    Annie nahm den «Hyperion» aus dem Rucksack, ein altes Reclam-Heft aus dem Besitz des seltsamen Vincentini, das ihn durch den Krieg begleitet und das er immer bei sich getragen hatte, als er mit dem Perseus durch die Eifel gefahren war. Sie hatte den «Hyperion» in Rosarius’ Nachtkommode gefunden und das Büchlein an sich genommen. Jetzt, da sie wieder darin las, erkannte sie Worte wieder, Worte, die Rosarius gemurmelt hatte. Mit der Zeit gewöhnte sie sich an Hölderlins poetische Sprache. Hyperion, der Diotima liebte, sagte zu seinem Freund Bellarmin:
Ich hatt ihr nichts zu geben, als ein Gemüt voll wilder Widersprüche, voll blutender Erinnerungen, nichts hatt ich ihr zu geben, als meine grenzenlose Liebe mit ihren tausend Sorgen, ihren tausend tobenden Hoffnungen.
Annie hörte das Surren der sich drehenden Windräder, sah ihre großen Flügelschatten über Wiesen und Äcker gleiten und die aufgeschreckt davongaloppierenden Pferde im Nebel verschwinden. Sie las im «Hyperion»,verfolgte, wie Hyperion sich in das Zauberland der griechischen Götter begab, für die Freiheit der Griechen kämpfte und schließlich der Liebe in Gestalt von Diotima begegnete. Annie war eingetaucht in die Geschichte, die Hyperion seinem deutschen Freund Bellarmin erzählt, in sein von der Welt zurückgezogenes Leben, in die Tragik, die im Alleinsein liegt. Der Himmel schimmerte blau, die Sonnenstrahlen wärmten sie. Die Pferde grasten nun friedlich in der Nähe des Schuppens. Annie las noch immer im «Hyperion»,
sie aber stand vor mir in wandelloser Schönheit, mühelos, in lächelnder Vollendung da, und alles Sehnen, alles Träumen der Sterblichkeit, ach! alles, was in goldnen Morgenstunden von höhern Regionen der Genius weissagt, es war alles in dieser Einen stillen Seele erfüllt.
    Â 
    A ls wir schon lange in Kall über der «Wäscherei & Reinigung» Moog wohnten, kam Vincentini eines Tages wieder. Er erschien, als Kathy abends mit der Arbeit in der Wäscherei fertig war. Mittlerweile kaufte und verkaufte er kein Holz mehr, sondern hatte ein neues Geschäftsmodell. Ein medizinisches Wundergerät namens Perseus. Vincentini erzählte, er sei zur See gefahren, habe in China den Perseus entdeckt und mitgebracht. Er saß in unserer kleinen Küche, redete unaufhörlich vom Perseus, seinen Verkaufsfahrten, den großen Heilerfolgen, den Problemen mit den Weißkitteln, wie er Ärzte verächtlich nannte, die verhindern würden, dass er die Leute mit seinem Perseus gesund mache. Die Weißkittel wollten nur Medikamente und Apparatemedizin verkaufen und hätten bereits Strafanzeige gegen ihn erstattet. Er

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