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Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Scheuer
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früher war, als mich fast alle für einen Idioten gehalten hatten.
    Ich kellnerte, und Evros saß hinter der Theke und knobelte mit Gästen. Er klemmte dabei den Becher zwischen seine beiden fingerlosen Handflächen, schüttelte die Würfel durcheinander und stürzte dann den Becher auf den Tisch. Evros war beim Knobeln unschlagbar, einige behaupteten, es hinge mit seiner ausgefeilten Würfeltechnik zusammen.
    Strohwang saß an der Theke und erzählte vom Lohngeldraub in den Zwanzigerjahren, von der Beute, die er irgendwo unter den Ruinen und in den Stollen am Broog vermutete. Strohwang war ein kleiner drahtiger Mann mit einem Dreieckskopf und einem bartstoppeligen Gesicht. Auf einer Wange hatte er ein kleines Loch, in dem sich eine Ameise hätte verkriechen können. Niemand hörte ihm zu. Mäthes lag betrunken mit dem Kopf auf der Theke, Zehner erzählte seine wirrenGeschichten, und Delamot meinte, er müsse mir unbedingt die Haare schneiden. Er wollte mir wie früher eine Glatze rasieren, aber ich ließ das nicht mehr zu.
    Delamot hatte nichts mehr dagegen, wenn ich stundenlang auf einem Stuhl im Frisiersalon saß und zuhörte, wie er sich mit seinen Kunden unterhielt, um sie herumtänzelte und seine Schere zwitschern und schnattern ließ, den Leuten mit Tricks Neuigkeiten entlockte, die sie eigentlich gar nicht preisgeben wollten.
    Waren alle Kunden gegangen, schob er den Abfalleimer neben dem Schrank beiseite und kehrte die Haare in das darunter befindliche Loch, durch das sie in das Kellergewölbe rieselten. Die Haare sämtlicher Kunden lagen da unten, und kein Mensch wusste, was Delamot mit diesen vorhatte.
    Bis auf das Summen in meinem Kopf ging es mir in dieser Zeit gut, nur Kathy vermisste ich sehr. Ich war enttäuscht, weil sie einfach weggegangen und mich im Stich gelassen hatte. Kathy blieb wie vom Erdboden verschluckt, alle dachten, sie hätte vielleicht endlich ihren Archäologen wiedergefunden oder wäre mit Vincentini unterwegs, von dem man gehört hatte, er würde seine Perseusgeräte jetzt im benachbarten Ausland verkaufen.
    Wenn ich Evros nicht half oder nicht bei Delamot herumsaß, lief ich zum Fußballplatz. Ich hockte am Spielfeldrand, sah beim Training zu, fischte wieder den Ball aus der Urft und warf ihn auf das Spielfeld zurück. Leo war ein sehr guter Spieler geworden. Er kickte mittlerweilein der ersten Mannschaft. Nach dem Training setzte sich Leo zu mir. Wir redeten miteinander.
    Irgendwas zog mich in dieser Zeit immer wieder zur Broog-Bank, wo ich oft mit Kathy gesessen hatte. Strohwang suchte ganz in der Nähe nach dem verschollenen Schatz. Er arbeitete damals noch im Zementwerk und kam nach Feierabend an meiner Bank vorbei, die nur ein paar Meter von der Stelle entfernt stand, wo er hackte und schaufelte. An der Theke hatten sie erzählt, alle, die im Krach der Zementmühlen arbeiteten, würden früher oder später einen Tick bekommen. So hatte Braden Steine und Fossilien gesammelt, Koch hatte jeden Zentimeter, den er ging, ausgemessen und dann in der Kantine behauptet, die Welt würde immer winziger, Strohwang wollte unbedingt diesen Schatz vom Lohngeldraub finden. Ich weiß nicht, was er mit dem alten, vielleicht sogar wertlosen Geld aus dem Überfall anfangen wollte.
    Strohwang hatte es nicht gern, wenn ich stundenlang in seiner unmittelbaren Nähe saß. Er argwöhnte, ich würde ihn beobachten, könnte auch nach dem Schatz suchen, da er dachte, alle wären hinter seinem Schatz her.
    Ich saß den Frühling und Sommer über oft auf der Bank, wenn Strohwang noch auf der Arbeit im Zementwerk war. Ich sah über das Urfttal, lauschte dem Summen in meinem Kopf, dachte an den Archäologen, an Peeh, aber besonders an Kathy. Ich hatte das Gefühl, hier ganz in ihrer Nähe zu sein.
    Ende August war es nochmals sehr heiß. Die Bienen schwärmten. Ich beobachtete von meiner Bank aus, wie sie beim Ausflug ihre junge Königin begatteten, die sich danach in einem Loch verkriechen und im Frühling ein neues Volk gründen würde. Es waren Wildbienen, die wie ein Schleier aus glitzernden Pünktchen über dem Tal schwebten. Sie verschwanden unter dem Blätterdach ganz in meiner Nähe, kamen nach einiger Zeit wieder zum Vorschein. Dabei fiel mir in einer Baumkrone ein verrotteter Stofffetzen auf. Er sah aus wie ein Kleid. Ich lief nach unten, kletterte diesen Baum hoch.

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