Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Peehs Liebe

Peehs Liebe

Titel: Peehs Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Scheuer
Vom Netzwerk:
bringen. Es war warm im Abteil, und ich schlief ein. Ein Kontrolleur weckte mich und verlangte meine Fahrkarte. Ich hatte keine Fahrkarte, keinen Personalausweis, rein gar nichts, antworten konnte ich ihm auch nicht, was den Kontrolleur sehr wütend machte. Er dachte, das sei eine Masche von mir, ich würde immer so durch die Gegend reisen, wenn man mich erwischte, würde ich mich einfach stumm stellen. Er sperrte mich in ein leeres Abteil. Der Zug rollte die ganze Nacht, ohne einmal anzuhalten. Am ersten Bahnhofkam der Kontrolleur wieder und warf mich aus dem Zug. Ich fand mich im Ameisengewimmel einer unbekannten Stadt wieder. Während dieser Irrfahrt wusste ich nie, wo ich mich befand, alle Orte und Straßen waren bedeutungslose Namen für mich. Mit einem Bus, in den ich mich durch die hintere Tür stahl, fuhr ich durch die Berge nach Tölz, mit einem anderen nach Kochel, mit dem nächsten hinüber nach Mittenwald, an Weilern und Höfen, an Campingplätzen und zugefrorenen Bergseen vorbei. Dann ließ mich ein Busfahrer nicht mehr ohne Fahrkarte einsteigen. Ich konnte niemandem sagen, wo ich hinwollte. Nachts stand ich oft allein an Haltestellen, bis frühmorgens endlich ein Schulbus kam, der mich mitnahm. Wieder stieg ich an einem Bahnhof aus, lungerte in einem kleinen Städtchen herum, bis ich mit einem Nachtzug von dort wegfuhr. Auf dem Boden des Zuges rollte eine Bierdose, auf einem Sitz hatte jemand ein Käsebrötchen liegen lassen. Ich saß im Abteil und sah nach draußen. Im Gang unterhielten sich junge Leute, die durch ganz Europa reisten. Ich stieg in einen anderen Zug um, dann wieder in einen anderen. Es war frühmorgens, die Leute fuhren zur Arbeit. Ich hatte die Augen geschlossen, hörte die Stimmen von Schülern, Büroangestellten, Kellnerinnen, die müde von der Arbeit kamen. Ich sah nach draußen. Landschaften, Gehöfte, Pappelreihen, ein Gewölk aus Bäumen und Häusern, Vogelschwärme. Eine Frau im Abteil wunderte sich über mein Aussehen und gab mir einen Apfel. Ich summte im dunklen Abteil. Städte, dieLichter in den Häusern, es war wie in einem Film, der sich schneller und schneller dreht. Ich lag auf dem Sitz und sah durch das Fenster in die Wolken, bis mich jemand schüttelte, mir mit der flachen Hand aufs Ohr klatschte und mich anschrie, wohin ich reisen wolle, ich solle endlich etwas sagen, dann stieß er mich in den Sitz zurück und lief in ein anderes Abteil. Es dämmerte, die Landschaft flog vorbei, als wäre sie eine große Nebelkrähe, alles andere schien stillzustehen. Ich befand mich auf einem wirren Zickzackkurs, wurde immer, wenn ein Schaffner mich erwischte, aus dem Zug geworfen. Wenn ich glaubte, in der Nähe von Kall zu sein, brachte mich der nächste Zug wieder von Kall weg. Es war wie auf einem Floß, das auf einem stürmischen Meer hin und her geworfen wird. Nach und nach besiedelte sich mein Kopf mit unendlich vielen Städten, Dörfern und Straßen, die mich noch verrückter und konfuser machten. Ich rannte aus einem Bahnhofsgebäude, hatte keine Ahnung, wo ich mich befand, wusste nicht einmal, in welcher Stadt, obwohl ich Hunderte Namen im Kopf hatte. Ich irrte umher, schlief in Unterführungen, Hauseingängen, lebte mit Menschen zusammen, die Ratten und Schlangen hatten, Drogen nahmen, mit mir aber ihr Essen teilten und die wie ich durchs Leben trieben, ohne zu wissen, wo sie sich gerade befanden. Es war ihnen egal, dass ich keinen Ton sprach, sondern nur summte. Trotzdem wollte ich unbedingt zu Kathy und in die Eifel zurück.
    Es war Sommer geworden. Ich stieg irgendwo aus.Wochen und Monate wanderte ich umher, übernachtete im Wald und in Scheunen. Irgendwann schneite es wieder. Ich ging zu einem Bahnhof, wartete auf einen Zug, versteckte mich unter dem Sitz oder in der Toilette. Trotzdem wurde ich erwischt und aus dem Zug geworfen. Lange blieb ich nie in einer Stadt, setzte mich bald wieder in den nächsten Zug. Manchmal ließen die Reisenden belegte Brote liegen, oder ich fand am Bahnhof in Abfalleimern etwas Essbares. Ich ging nicht mehr vom Bahnhof weg, weil ich fürchtete, mich wieder in der Stadt zu verirren. Ich wusste nicht, was ich sonst anderes machen sollte, als immer nur mit Zügen zu fahren. Ich merkte mir alle Straßennamen und Plätze, wusste aber trotzdem nicht, wo ich gerade war oder wie ich je wieder nach Hause kommen könnte. Auf einer

Weitere Kostenlose Bücher