Peehs Liebe
den sich ein Dichter ausgedacht hatte und in dem alles so wie in Wirklichkeit war, aber doch irgendwie anders.
â¦
Annie streifte die Schuhe ab, setzte sich zu Rosarius ans Bett und stellte ihre kalten FüÃe auf die warmen Heizungsrippen unter dem Fensterbrett.
Im Tal, wo die Bahnstrecke nach Köln verlief, erstreckten sich vom Schnee gepuderte Felder und Wiesen. Ãber die Wallenthaler HöhenstraÃe fuhren aus der Stadt kommende Autos.
Rosarius fragte nach Berlepsch-Ãpfeln, die Annie ihm im Herbst mitgebracht hatte. Für ihn gab es keine wechselnden Jahreszeiten mehr, alles blieb gleich. Annie war für ihn ganz Peeh geworden.
Â
Z wei Jahre später schrieb Evros aus Griechenland, er wolle nach Kall zurückkommen und wieder seine alte Gaststätte eröffnen. Ich weià nicht, warum er nach Kall zurückgekehrt ist, er hat nie mit mir darüber gesprochen, vielleicht ist in Griechenland etwas schiefgelaufen. Der Pächter hatte die Gaststätte heruntergewirtschaftet, die letzten Monate keine Pacht mehr bezahlt und war dann eines Tages spurlos verschwunden. Als Evros wieder in Kall lebte, besuchte er mich fast jede Woche in der Psychiatrie. Er besaà kein Auto mehr. Er fuhr, wenn die Gaststätte montags geschlossen war, von Kall mit dem Zug nach Euskirchen, dann mit dem Bus über Dörfer, die Düttling, Vlatten und Ginnick hieÃen. Er brach sehr früh auf und kam dennoch erst mittags an. Ich sah vom Fenster aus, wie er aus dem Linienbus stieg, zum Pförtner ging und dann durch den Park lief. Ich fragte ihn, was mit Socke sei. Evros berichtete, er bewache das Areal oben am Broog. Er erzählte mir von Strohwang und seinen Verrücktheiten, seiner krankhaften Schatzsuche. Er meinte, Strohwang sei noch verwirrter als ich, aber den sperre niemand ein. Evros glaubte, wäre er nicht weggegangen, dann wäre ich auch nicht verrückt geworden, denn so etwas passiere nur, wenn man ganz allein ist. Evros versuchte alles, um mich aus der Anstalt zu holen. Er behauptete, er benötige dringend meine Hilfe in der Gaststätte. SchlieÃlich wurde er mein Vormund, sodass ich nach Kall zurückkehren konnte. In unserer früheren Wohnung über der Gaststätte entdeckte ich einen alten Koffer, der mit einemGürtel zusammengehalten wurde. Evros konnte mir nicht sagen, wie er dort hingekommen war. Er vermutete, der Pächter hätte den Koffer irgendwann angenommen und oben abgestellt. Als ich den Koffer öffnete, fand ich darin Tonscherben, Bücher, Aufzeichnungen des Archäologen, Wüstensand und Steine. Ich lebte wieder in der Wohnung. Der Lärm aus der Gaststätte störte mich nicht. In der Klinik hatten die Patienten geschrien, die ganze Nacht hindurch verzweifelt über das Leben geklagt, obwohl das Leben doch eigentlich schön ist. Ich fühlte mich wohl, wenn ich den Stimmen der Leute unten in der Wirtschaft lauschen konnte. Manchmal wachte ich mitten in der Nacht auf, glaubte, Vincentini schwadroniere über seinen Perseus. Wer weiÃ, vielleicht war er wirklich dort. Tagsüber arbeitete ich wieder im Supermarkt, schob die Einkaufswagen zusammen, kehrte den Parkplatz und kratzte klebrige Kaugummis vom Asphalt. Abends half ich Evros, sonst fuhr ich wieder mit den Lastwagen, stieg am Broog aus, ging zu Kathy und besuchte Socke, der Strohwangs Gelände bewachte. Strohwang war mittlerweile Rentner und tat nichts anderes, als nach dem Schatz zu graben.
Sonntagsnachmittags besuchte ich die FuÃballspiele der ersten Mannschaft. ClaÃen hatte einen schweren Autounfall gehabt, seitdem war er querschnittsgelähmt und saà am Spielfeldrand in seinem Rollstuhl. Ich fischte wieder den Ball aus der Urft, warf ihn ins Spiel zurück und fuhr ClaÃen mit dem Rollstuhl an der Seitenlinieentlang, weil er auf Ballhöhe sein wollte. Er regte sich über jeden Fehlpass auf und brüllte herum. Nach dem Spiel schob ich ihn mit seinem Rollstuhl durch Kall, dann nach Keldenich, ungefähr zwei Kilometer steil bergan. Ich war völlig auÃer Atem, als wir oben ankamen. Seine Schwiegertochter Elena brühte uns Kaffee auf. Manchmal blieb ich zum Abendessen. Elena kochte gut, war hübsch und sympathisch, dennoch hatte ClaÃens Sohn sie verlassen. Er lebte nun mit einer anderen Frau in Köln. Elena saà bei uns, lächelte und sah mich heimlich an, während ClaÃen über FuÃball redete. Elena begleitete mich zur
Weitere Kostenlose Bücher