Peehs Liebe
sah sie mit einem Auto auf den Parkplatz rollen, den Wagen abstellen, aussteigen und über den Parkplatz gehen. Ich lief zu ihr, umarmte und küsste sie, sie aber fühlte sich belästigt und schrie.
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Annie zog ihre Kleider aus und legte sie sorgfältig auf einen Kiefernast. Nebelschleier zogen schwebend über den See hinweg. Sonnenfischchen huschten am Ufer um ihre FüÃe, verschwanden in der Tiefe. Bald stand sie bis zum Bauch im Wasser und schwamm bis zur Mitte des Sees, wo sie sich erschöpft auf den Rücken drehte und in den Himmel sah. Prachtlibellen segelten über dem Wasser, mit blitzschnellen Manövern jagten sie winzige Insekten. Vom Uferschilf klang das Tscharren der Teichrohrsänger herüber. Annie schwamm weiter, bis ihre FüÃe am anderen Ufer endlich Grund fanden. Sie watete im Uferschlamm, kletterte über das Geröll zum Malakowturm. Jemand hatte Graffiti an die Wände gesprüht, dürre, gebeugte Figuren ohne Gesichter. Auf dem Boden lagen rostige Bierdosen und Glasscherben. Eine Eisentreppe führte zur Aussichtsplattform hinauf.
Ein Mähdrescher fuhr über ein Feld, wendete vor dem Bahndamm und kam zurück. Später am Abend glitten Züge durch die Ebene. Glühwürmchen tanzten in der lauen Nacht.
Annie ging zur Remise, schritt an den Bücherregalen entlang, die bis unter das Dach reichten und nun voller Bücher standen. Sie öffnete vorsichtig die Tür zu Bellarmins Zimmer. Leise zog sie sich im Dunkeln aus, kroch zu ihm unter die Decke und schmiegte sich an seinen warmen Körper.
In ihrer Erinnerung wird es auf die zerbrochenen Scheiben des Gewächshauses regnen. Sie wird neben Bellarmin aufwachen. Sie hört Marder auf dem Dach trippeln, spürt Bellarmin, der neben ihr schläft. Sie wird bestimmte Dinge in ihrem Leben nie mehr vergessen.
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I n den ersten Jahren in der psychiatrischen Anstalt verabreichten mir die Ãrzte zahllose Medikamente und machten Röntgenbilder von meinem Kopfinneren. Die Psychologen wunderten sich darüber, dass ich den ganzen «Hyperion» auswendig kannte, Tausende StraÃennamen und andere Sachen behalten hatte, Dinge, die ihrer Meinung nach völlig unwichtig waren. Aber einmal sagte ein Arzt zu mir, niemand wisse, was wirklich wichtig im Leben sei. Dieser Psychiater machte Tests mit mir und schrieb sogar Aufsätze über mich, die er in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichte. Er fragte, was mich früher interessiert hätte. Ich erzählte, ich hätte gerne Bälle vom Seitenaus ins FuÃballfeld zurückgeworfen, auÃerdem wäre ich mit den Steinlastern vom Zementwerk gefahren und hätte dabei Weltreisen mit Karl Höger unternommen. Der Arzt stand oft an seinem Bürofenster und sah mir zu, wie ich immer auf demselben Weg zwischen den Kastanien hin und her lief, während ich mit mir selbst redete und StraÃennamen rezitierte. Bei schönem Wetter saà ich mit Peeh zusammen auf der Bank unter den Kastanien. Peehs Besuche wurden immer seltener. Erst kam sie nur noch einmal im Monat, dann alle zwei Monate, dann ein halbes Jahr nicht. Es war Winter, als ich sie das letzte Mal sah. Sie ging den Weg entlang und setzte sich auf die Bank. Peeh trug eine gehäkelte Wollmütze, einen Schal und einen langen Mantel. Ich lief zu ihr, und als ich vor ihr stand, sah sie mich schweigend an. Ihre Haut war weià und kalt geworden. Sie hatte glühend rote Lippen,aber nur noch wenige Sommersprossen auf den Wangen. Sie erzählte mir, sie habe jemand anderen kennengelernt, jemanden, den sie über alles liebe und mit dem sie endgültig weggehen würde und meinte, ich hätte sie ohnehin nicht entschlossen genug geliebt, denn sonst wäre ich mit ihr weggegangen, egal wohin. AuÃerdem würde ich nie wieder aus der Anstalt entlassen werden. Eigentlich wollte ich diese sichere Umgebung auch nie mehr verlassen. Sie nahm meine Hand, sagte, ich solle ihr nicht böse sein.
Karl Höger war 1993 von einer Auslandstour zurückgekommen und besuchte mich. Auch Vincentini kam hin und wieder vorbei. Er redete wie immer nur vom Perseus, den er nachzubauen versuchte, obwohl er keine Ahnung von Elektrik hatte. Er sagte, er habe Socke zu Strohwang gebracht, der Hund habe es gut bei ihm. Manchmal besuchten mich die Verkäuferinnen aus der Cafeteria. Sie brachten Kuchen mit und erzählten von Kall. Es war, als redeten sie von einem Ort,
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