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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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zauberte sie ein
Insektenvertilgungsmittel.
    »Worauf
wollt ihr hinaus?«, fragte Judith.
    »Glaubst
du wirklich«, rechtfertigte sich Caroline, »dass Arne das als Luxus empfunden
hat?«
    »Nach einem
Tag pilgern? Definitiv. Ja«, warf Kiki vergnügt ein. Sie meinte jedes Wort,
das sie sagte. Sie hatte es sich oben auf ihrem Bett gemütlich gemacht und
heftete ein paar der Skizzen, die sie unterwegs für ihre Vase gemacht hatte, an
die Wand und fand alles großartig. Bis auf die Mäkelei der Freundinnen. In der
unteren Bettenetage ging der Streit unvermindert weiter. Caroline gab nicht
auf, Judith ebenso wenig: »Arne war todkrank, er wusste, dass er stirbt.
    Da
erscheint einem jeder Moment wie ein Geschenk. Jede Begegnung mit der Schöpfung
ist ein Wunder. Selbst mit der allerkleinsten Kreatur.«
    Ein
penetranter Geruch machte sich im Zimmer breit und nahm Judith den Atem zum
Weitersprechen. Estelle sprayte gnadenlos eine kleine Kreatur, die sich mitsamt
ihrer Großfamilie in ihrem Bett versteckt hatte, ins Jenseits. Bis sie die
Bestürzung ihrer Freundinnen bemerkte. Schuldbewusst sah sie erst zu Judith,
dann auf das Massaker, das sie unter dem Krabbelgetier angerichtet hatte.
    »Wir
könnten zum Buddhismus konvertieren«, schlug Estelle reumütig vor. »Die glauben
an Reinkarnation.«
    Judith
verließ Türen knallend den Raum. Eva folgte ihr, nicht ohne ihre
Wandergefährtinnen zurechtzuweisen.
    »Das war
ganz und gar unnötig«, zischte sie. Es blieb undeutlich, wen sie damit meinte.
Caroline mit ihren sezierenden Fragen oder Estelles anarchischen Humor.
     
    »Großartig«,
beglückwünschte Kiki Caroline und hielt den Daumen hoch. »Jetzt hat Judith
wieder einen Grund, die halbe Nacht zu schluchzen.«
    »Wenn ich
nichts sage, laufen wir morgen wieder in die Irre«, verteidigte Caroline sich.
    Doch
Estelle war bereits dabei, den Gedanken, den Caroline aufgebracht hatte,
weiterzuspinnen. »Hattest du nicht mal einen Klienten, der ein komplettes
Tagebuch gefälscht hat?«
    »Hitler?«,
fragte Kiki nach.
    Caroline
lachte auf: »Estelle meint den Serieneinbrecher. Der glaubte, er kann sich
seine Alibis selbst schreiben.«
    Estelle
nickte bedeutsam: »Wer weiß, was Arne zu verbergen hatte.«
     
    21
     
    Den ganzen
Tag hatte Caroline darüber nachgedacht, wie sie Judith dazu bringen konnte,
sich weniger sklavisch an Arnes zweifelhafte Tagebuchangaben zu halten. Am Ende
hatte sie sich spontan für die Holzhammermethode entschieden.
    Nun warf
sie sich vor, dass es ihr nicht gelungen war, ihr Ansinnen diplomatischer zu
formulieren. Auf der Bank vor der Auberge trank sie ein Glas Wein und blickte
auf das abendliche Dorfleben. Die letzten Sonnenstrahlen gossen warmes Gold
über die grauen Fassaden. Es war angenehm warm. Auf der Gasse verfolgten ein
paar Jugendliche zwei kichernde Mädchen und übertrumpften sich gegenseitig mit
halbstarken Gesten und überlautem Gejohle. An der Kirche versammelten sich die
alten Männer des Dorfes zum abendlichen Plausch. Immer wieder gingen die
Blicke zu Caroline. Sie merkte es nicht einmal.
    Caroline
haderte mit sich. Warum reagierte sie so heftig? Sie beneidete Kiki um ihr
Talent, Dinge hinzunehmen. Kiki stellte keine überflüssigen Fragen. Vermutlich
war es ihr egal, ob sie in Lourdes, Timbuktu oder nirgendwo ankamen. Sie genoss
die Tage und was der Zufall ihr bescherte. Und war trotzdem ehrgeizig in dem,
was sie tat. Warum gelang es ihr nicht, das Leben entspannter zu sehen? Kiki
wurde geliebt. Sie selbst allenfalls geschätzt, oft gefürchtet, bisweilen offen
bekämpft.
    Im
Berufsleben konnte sie das so gut: taktieren, abwarten, im rechten Moment das
Rechte sagen. Warum klappte das im Privatleben nicht?
    »Dafür hat
man Freundinnen. Um sich von seinem Job zu erholen«, besänftigte sie sich
selbst. Lügen gehörten zu ihrem Berufsalltag wie das Amen in der Kirche. Tag
für Tag war sie mit Falschaussagen und Halbwahrheiten konfrontiert, mit
Ausreden und Schönrednereien. Das Recht nahm die Lügner in Schutz. »Nemo
tenetur se ipse accusare«, hieß das so schön. Niemand ist verpflichtet, sich
selbst zu belasten und an seiner eigenen Überführung mitzuwirken. Sosehr sie
sich mit den Lügen im Gerichtssaal abgefunden hatte, so allergisch war sie im
Privatleben gegen jede noch so kleine Flunkerei.
     
    Anstatt
Judith weiter mit unangenehmen Fragen zu reizen, setzte sie nun auf ihren Mann.
Den ganzen Abend schon versuchte sie, Philipp zu erreichen. Arne war sein
Patient gewesen.

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