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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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Folie
abgeklebten Fenster in ihrem Rücken drangen Geräusche, die nahelegten, dass
sich dahinter die Küche befand. Schranktüren wurden geöffnet und geschlossen,
Geschirr klapperte, ein Messer hackte in heftigem Stakkato auf ein Holzbrett,
Fett brutzelte. Eine verführerische Duftwolke, in der Knoblauch, Thymian und
Lorbeer sich mit Olivenöl vereinten, quoll nach draußen. Das interessierte sie
weit mehr als aller Müßiggang. Sitzen, schweigen, sinnieren und dem lieben Gott
den Tag stehlen? Das war nichts für sie.
     
    Neugierig
betrat Eva das Haus. Ein überraschend hoher Gang mit schweren dunklen
Holzbalken und leuchtend rotem Terracottaboden führte in Richtung Küche. An
den weiß gekalkten Steinmauern hingen alte Werkzeuge, die von der
ursprünglichen Funktion der Gemäuer erzählten. Vergilbte Fotos belegten die
wechselvolle Geschichte der Ölmühle und seiner Betreiber.
    Posierten
um die Jahrhundertwende ernste und ausgezehrt wirkende Arbeiter vor dem Haus,
waren es später Soldaten in Uniformen des Zweiten Weltkriegs. Die
Schwarz-Weiß-Aufnahmen hingen einvernehmlich neben den fahlfarbenen Fotos der
Nachkriegszeit und heutigen Hochglanzporträts. Die Familien auf den Bildern -
wohl die jeweiligen Besitzer - wurden im Verlauf der Jahrzehnte immer kleiner,
bis sie in den Sechzigern von einer bunten Hippiekommune abgelöst wurden. Ein
nackter Junge mit wirrem Schopf streckte dem Fotografen frech die Zunge raus.
Daneben ein Paar vor einem bemalten VW-Bus. Sie farbenfroh, mit schwarzer
Lockenmähne, die mühsam von einem Stirnband gebändigt wurde, er langhaarig, mit
Federschmuck und Schlaghose. War das Jacques mit seinen Eltern?
    Noch rätselhafter
das Foto daneben: An prominenter Stelle hing ein eigenartiges Gruppenfoto, das
Jacques inmitten eines Dutzends von Männern in langen roten Roben zeigte. Was
mochte das für eine merkwürdige Vereinigung sein, der Jacques angehörte? Gab es
noch immer Geheimbünde in dieser Gegend? Besonders heilig wirkten die Männer
nicht. Eher wie die Richter des Bundesverfassungsgerichtes, die sich zum Kölner
Karneval verabredet hatten. Anstelle der weißen Spitzenlätzchen, die die Roben
der obersten Richter Deutschlands zierten, trugen die Männer auf dem Foto eine
glasierte, runde Tonschale an einem grünen Band um den Hals.
    »Die
Mitglieder der L'Academie Universelle du Cassoulet«, erläuterte eine Stimme in
ihrem Rücken. Eva erschrak. Jacques hatte sich ihr unbemerkt genähert. Sie war
so vertieft in die Fotos gewesen, dass sie ihn nicht gehört hatte.
    »Cassoulet?«,
fragte sie nach. Lag es an den hohen Decken, dass ihre Stimme anders klang?
Oder war es seine körperliche Präsenz, die sie nervös machte?
    »Die
Spezialität meiner Großmutter«, erklärte Jacques. »Die kam aus Castelnaudry.
Dem Mekka des Cassoulet. Du kannst es heute Abend probieren.«
    »Riecht
das so köstlich? Darf ich mithelfen?«, fragte Eva enthusiastisch. In fremden
Kochtöpfen zu schnuppern, war so viel verlockender, als im Korbsessel auf
Olivenbäume zu starren. Vielleicht konnte sie etwas Neues lernen. Statt einer
Antwort öffnete Jacques die Tür zur Küche.
     
    36
     
    »Jeder
Schritt eine Antwort«, hatte es auf einer Website geheißen, die dem
potenziellen Pilger den endlosen Fußmarsch schmackhaft machen sollte. »Was für
ein Kitsch«, hatte Caroline zu Hause gedacht. Jetzt bekam der Satz eine völlig
neue Bedeutung. Das war kein Kitsch, sondern purer Unsinn.
    Für
Caroline taten sich mit jedem Schritt neue Fragen und Fallgruben auf. Die
letzten Tage hatten bewiesen, dass fünfzehn gemeinsame Jahre nicht
ausreichten, das Wesen eines Menschen zu ergründen. Oder war das der Weg?
Brachte Pilgern Eigenschaften hervor, die im Alltag verborgen blieben? Vor
drei Stunden hätte sie gewettet, dass Eva die Letzte war, die zu einem
Wildfremden ins Auto steigen und sich zu einem unbekannten Ziel entführen
lassen würde.
    »Jeder
Schritt eine neue Frage«, so musste der Satz lauten. Nicht nur Eva wirkte
verändert. Auch Kikis Haltung erschien ihr mit jedem Pilgertag, an dem sie es
schaffte, kein einziges Wort mit Max zu wechseln, rätselhafter. Sie behandelte
Max, als wäre er ein Möbelstück, an dem man Tag für Tag achtlos vorbeiging.
Caroline hatte Kikis Männer kommen und gehen sehen. So seltsam hatte sie sich
noch nie benommen.
     
    »Viens
ici! Viens ici! Vite. Vite. Vite!«
    Aufgeregte
Stimmen rissen Caroline aus ihren Gedanken. Zwei Feldarbeiterinnen schrien laut
und winkten

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