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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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gefahren. Unter der Sonnenbräune, die sie in
den letzten Tagen angenommen hatte, war sie erbleicht. Sie beharrte darauf,
dass der Mann durch und durch feindselig war.
    »Er hat
mich bedroht!«
    »Was hat
er denn gesagt?«, versuchte Caroline Ordnung in Judiths wirre Erzählung zu
bekommen.
    »Was soll
er schon gesagt haben«, mischte Estelle sich ein. »Bei den Taliban geht es
immer nur um das eine: Sünde und Strafe.«
    Judith
starrte Estelle mit panischen Augen an. »Hallo, ich bin's«, winkte Estelle. Eva
begriff nichts mehr.
    »Judith
wirkt noch verstörter als zu Hause«, raunte sie Caroline zu. Doch die hatte
gerade den spitzen Ellenbogen eines durchtrainierten französischen Wandervogels
in den Magen bekommen und beschloss, dass sie für diese Art von
Verteilungskampf ungeeignet war. Sie kämpfte sich aus dem Gewühl und wartete in
einer Ecke geduldig, bis das Chaos sich lichtete.
    »Les
hommes á gauche, les femmes á droite. Männer links, Frauen rechts«,
wiederholte Jacques. Estelle und Kiki verschwanden erleichtert nach rechts,
Max nicht ohne Geste des Bedauerns in Richtung Kiki nach links.
    »Wie der
Mann zwischen den Kerzen stand«, regte Judith sich immer noch auf. »Wie eine
Erscheinung.« Sie konnte nicht begreifen, dass niemand sie ernst nahm.
    Eva hatte
eine Erklärung für das merkwürdige Phänomen: »Das ist der Weg, Judith. Das ist,
was der Weg mit einem macht«, schwärmte sie und war mit ihren Gedanken schon
wieder bei ihrem Retter. »Das Laufen ist so monoton, da werden die
Wahrnehmungen automatisch intensiver. Selbst alltägliche Begegnungen bekommen
etwas Magisches«, murmelte sie und blickte unverwandt zu Jacques. Den ganzen
Tag hatten sie miteinander gekocht, gelacht und geflirtet. Sie hatte seine
neugierigen Blicke genossen, die Art, wie er beim Reden seine Hand auf der
ihren ruhen ließ. Jacques machte keinen Hehl daraus, dass er Eva attraktiv fand.
    Nicht
einmal Frido war so sturmartig in ihr Leben getreten wie Jacques. Frido war
kein Mann für Sprints und andere Plötzlichkeiten. Als Schüler hatte man ihn aus
der Fußballmannschaft geworfen, weil er zu langsam im Antritt war und jeden
Ball verlor. Frido war für die Kurzstrecke ungeeignet, bewies aber, wenn man
ihm die Chance gab, Ausdauer und Zähigkeit. Frido war weder schnell noch ein
Freund übereilter Aktionen. Den ersten Heiratsantrag hatte er so vorsichtig
formuliert, dass er komplett an Eva vorbeiging. Eva heiratete ihn trotzdem. Bis
heute war sie traurig, dass Oma Lore Frido nicht mehr kennengelernt hatte. Sie
hätte ihn gemocht. Sie hätte weit weniger gemocht, dass sie hier in Frankreich
stand und kein bisschen an Frido dachte, sondern nur an den Mann, der im Gang
stand und die Menge teilte wie einst Moses das Meer.
     
    Eva
versuchte sich vorzustellen, was für eine Art Leben Jacques außerhalb seiner
Arbeit führte. War er ein Heiliger, der vom Himmel gefallen war? Oder hatte er
ein ganz reales Leben? Vielleicht lebte er mit seinen Eltern unter einem Dach.
Linke Friedensaktivisten, die grau und gebeugt waren und ab und an einen
heimlichen Joint rauchten. Oder hatte er eine eigene Familie? Frau und Kinder,
die heute zufällig Opa und Oma einen Besuch abstatteten? Eva hatte nichts
gefragt und Jacques hatte nichts erzählt. Sie hatten den Tag miteinander
verbracht. Ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. Jacques schien das anders zu
sehen.
    »Warum
ruhst du dich nicht ein paar Tage bei uns aus?«, fragte er Eva, als sie endlich
an der Reihe war. »Du könntest mir beibringen, was man bei euch kocht.«
    »Rheinischer
Sauerbraten«, schlug Eva vor.
    »Schwierig?«,
fragte Jacques nach.
    »Zeitraubend.«
    Jacques
strahlte: »Perfekt.«
    Sein
Interesse schmeichelte Eva. Und doch war eine Urlaubsaffäre das Letzte, was
sie suchte. Sie wusste, wo sie hingehörte. Zu Frido, zu ihren Kindern, zu den
Dienstagsfrauen. Sie würde nicht mehr da sein, wenn er morgen Mittag von
seinem täglichen Marktgang zurückkehrte.
    »Ich bin
mit meinen Freundinnen gekommen und ich gehe mit ihnen weiter. Ich schaffe das
jetzt. Der heilige Jacques hat mich gerettet.«
    Eva
lächelte ihn schüchtern an. Für ihre Begriffe kam das einer ungestümen
Liebeserklärung gleich. Aber nicht jede Liebe musste man leben. Man konnte sie
still im Herzen bewahren. Dort, wo sie kein Unheil anrichtete.
     
    Als hätte
er geahnt, dass der Abschied schneller kommen könnte, als er das erhoffte, zog
Jacques eine alte Postkarte heraus, die die Auberge de la Paix

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