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Peinige mich

Peinige mich

Titel: Peinige mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiara Singer
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scheinbare Expertise zu mimen. »Schade, dass ich meinen iPod nicht dabei habe, denn dann könnte ich ganz stilecht mit Mussorgskis ›Bilder einer Ausstellung‹ an den Kunstwerken entlangschlendern«, kam es mir in den Sinn.
     
    Für einen Augenblick blieb ich vor einem Bild stehen, das mich unvermittelt ein wenig stärker in seinen Bann zog. Es zeigte eine Landschaft voller antiker griechischer Säulen, die jedoch mehr oder weniger wahllos in der Gegend herumlagen, als handelte es sich um das Ergebnis großer Zerstörung. Lediglich in seinem Zentrum stand eine letzte aufrechte Säule. Sie war mit einer metallenen Kette umwickelt, durch die sich ein Rosenstrauch wand.
     
    »Gefällt Ihnen das Bild?«
     
    Ich erschrak. Ein etwa 40-jähriger, sehr maskulin wirkender Mann riss mich mit seiner sonoren Stimme aus meinen Tagträumen.
     
    »Ich weiß nicht so recht. Es spricht mich aus irgendeinem Grund sehr stark an, und zwar mehr als alle anderen Objekte, die ich bislang betrachtet habe.«
     
    »Mir sagt das Bild überhaupt nicht zu«, erwiderte er zu meiner Überraschung.
     
    »Und warum?«
     
    »Weil etwas ganz Entscheidendes darauf fehlt.«
     
    Nun hatte er mich neugierig gemacht. »Und das wäre?«
     
    »Sie!«
     
    Von einer Sekunde zur anderen lief ich knallrot an.
     
    »Wie bitte?«
     
    »Sie haben schon ganz richtig gehört. Ich sagte ›Sie!‹«
     
    Allmählich gewann ich meine Fassung wieder. »Kann es sein, dass Sie mich gerade ziemlich plump von der Seite anmachen wollen?«
     
    »Ich möchte Ihnen lediglich bei der Interpretation des Bildes behilflich sein«, kam es im unschuldigsten Tonfall aus ihm heraus.
     
    Ich stemmte die Fäuste in die Hüften. »Und warum sollte Ihnen das besser gelingen als mir?«
     
    »Weil ich es gemalt habe.«
     
    Ich war perplex. Völlig konsterniert schaute ich ihn an. »Sie sind Robert Lacour ?«
     
    »Du kannst gerne Robert zu mir sagen. Und mit welcher reizenden jungen Frau habe ich es gerade zu tun?« Freundlich lächelte er mich an.
     
    »Ähm, ich heiße Laura, und ich bin nur hier, weil mich meine Freundin Lea unbedingt dabei haben wollte.«
     
    »Dann sollte ich mich wohl nachher noch bei Lea bedanken. Wo ist sie denn eigentlich?« Ironisch schmunzelnd sah er sich um.
     
    »Sie steht schon die ganze Zeit mit dem etwas langhaarigeren Mann dort drüben zusammen. Seitdem bin ich bei ihr völlig abgemeldet.«
     
    »Und aus lauter Langeweile hast du dir dann nichtssagende Bilder und Skulpturen angeschaut?«
     
    Ich musste lachen. Mir gefiel seine leicht provokante Art.
     
    »Es war ja nicht alles langweilig und nichtssagend. Zum Beispiel das Säulenbild hier.«
     
    »Richtig, wir wollten uns noch über mein Bild unterhalten! Wie spricht es denn zu dir?« Es war klar, dass er nicht locker lassen würde.
     
    »Ich weiß nicht recht. Es ist dieser Gegensatz aus Zerstörung, Ordnung und Gefangensein, der mich berührt und zugleich irritiert hat.«
     
    Seine Hand wies auf das Bild, sein Blick blieb unverändert provokativ auf mich gerichtet. »Es möchte auch irritieren. Das Bild drückt nämlich das Dilemma des modernen Mannes aus. Nimm die Säulen als Phallussymbole. Sie stehen für den Mann an sich, der im Grunde heute nur zwei Alternativen hat: Entweder frei und ungebunden zu leben, doch damit zerstört er sich selbst. Oder sich an eine Frau zu binden. Dann kann er zwar länger aufrecht stehen, wird dafür aber von ihr in Ketten gelegt, wodurch er alle seine Freiheiten verliert. Verstehst du nun, warum gerade du darauf noch fehlst?«
     
    Ich wertete seine Worte als verschärftes Flirten. »Nein, kein bisschen!«, gab ich frech zurück.
     
    »Was hältst du davon, unser Gespräch bei einem gemeinsamen Abendessen fortzusetzen?«, hielt er unbeirrt dagegen.
     
    »Jetzt?«
     
    »Ja Laura, genau jetzt!« Er sagte es in etwa so, wie ein leicht genervter Lehrer zu einer aufmüpfigen fünfzehnjährigen Schülerin.
     
    Verlegen schaute ich zu Boden. Natürlich reizte es mich sehr, mich mit diesem äußerst attraktiven und bekannten Künstler noch etwas länger zu unterhalten oder gar mit ihm zu Abend zu speisen. Ich fühlte mich durch sein Angebot ausgesprochen geehrt. Auf der anderen schien mir die ganze Sache mehr als durchsichtig zu sein. Ganz eindeutig ging es ihm in erster Linie darum, mich möglichst schnell ins Bett zu bekommen.
     
    »Kannst du denn einfach so gehen? Das ist doch teilweise auch deine Ausstellung, oder?«, versuchte ich ihn

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