Peinlich peinlich Prinzessin
herumschmeißen! Und jetzt bringen Sie uns endlich die Korrespondenz meines verblichenen Gatten, oder wollen Sie etwa, dass ich mich selbst bemühe?«
Monsieur Christophe eilte mit unglücklicher Miene davon und Grandmère richtete ihren kritischen Blick auf mich.
»Amelia!», rief sie entsetzt. »Was baumelt da an deinen Ohrläppchen?«
Verdammt, ich hatte vergessen, meine langen Chandelier-Ohrringe rauszumachen.
»Äh«, sagte ich. »Ach so, ja. Die hab ich mir gestern gekauft …«
»Du siehst aus wie eine Zigeunerin«, verkündete Grandmère. »Nimm sie sofort raus. Und … um Gottes willen … was ist mit deinem Busen passiert?«
Ich hatte Grandmère zuliebe versucht, mich eher brav zu kleiden und ein braunes Wollkleid von Mark Jacobs mit süßem Peter-Pan-Kragen angezogen, das laut Lana die ultimative Verkörperung urbaner Hipness ist. Besonders in Kombination mit braun gemusterten Wollstrumpfhosen und Mary Janes mit Plateauabsätzen.
Leider war es das, was unter dem Kleid steckte, was Grandmères Aufmerksamkeit erregt hatte.
»Ich hab mir einen neuen BH gekauft«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
»Das sehe ich«, sagte Grandmère. »Ich bin ja nicht blind. Ich verstehe nur nicht, weshalb du ihn ausgestopft hast.«
»Ich hab ihn nicht ausgestopft, Grandmère«, sagte ich, wieder mit zusammengebissenen Zähnen. »Das ist alles Natur. Ich bin gewachsen.«
»Das kann jeder behaupten«, schnaubte Grandmère.
Bevor ich wusste, was geschah, hatte sie blitzschnell die Hand ausgestreckt und mich gekniffen!
In den Busen!
»AUA!«, brüllte ich und sprang auf. »SPINNST DU!«
Aber Grandmère sah sehr zufrieden aus.
»Oh! Du bist wirklich gewachsen«, stellte sie fest. »Das ist sicher dem guten genovesischen Olivenöl zu verdanken, mit dem wir dich in den Ferien vollgepumpt haben…«
»Wohl eher den schädlichen Wachstumshormonen, mit denen die Fleischindustrie die Rinder vollpumpt«, sagte ich und massierte meinen schmerzhaft pulsierenden Busen. »Seit ich wieder Fleisch esse, bin ich gute zwei Zentimeter gewachsen und einen Zentimeter … breiter geworden. Du musst mich nicht zwicken. Ich garantiere dir, das ist alles absolut echt. Außerdem: AUA! Das hat gemein wehgetan. Wie würde es dir gefallen, wenn das jemand bei dir machen würde?«
»Ich rufe gleich bei Chanel an, um einen Termin auszumachen, damit sie deine neuen Maße nehmen können«, frohlockte Grandmère. »Endlich kannst du schulterfreie Kleider anziehen, ohne dass sie an dir herunterrutschen!«
Oh Mann. Manchmal hasse ich sie echt.
Zum Glück kam kurz darauf Monsieur Christophe mit dem Tee und den Sandwiches … und Grandpères Briefen, die mehrere Kartons füllten. Sie handelten fast ausnahmslos von den Problemen mit der Abwasserbeseitigung, mit denen Genovia während seiner Herrschaft anscheinend zu kämpfen hatte.
»Ich will aber keine Rede über Kläranlagen halten«, sagte ich zu Grandmère. In Wahrheit wollte ich natürlich am liebsten gar keine Rede halten. Da ich jedoch wusste, dass ich
mit dieser Einstellung nichts erreichen würde - weder bei Grandmère noch bei Dr. G. Stöhrt (die sich übrigens ziemlich ähnlich sind, wenn ich so drüber nachdenke) -, entschied ich mich dafür, es ihr wenigstens nicht so leicht zu machen. »Grandmère«, jammerte ich. »In diesen Briefen lässt er sich seitenweise über die problematische Abwasserbeseitigung in Genovia aus. Ich kann doch vor den Frauen von Domina Rei keine Rede über Kläranlagen halten!« Ich wandte mich an Monsieur Christophe, der in der Nähe herumlungerte, uns besorgt beobachtete und jedes Mal einen halben Herzinfarkt bekam, wenn eine von uns eines seiner kostbaren Manuskripte berührte. »Haben Sie nicht etwas da, was … ein bisschen persönlicher ist?«
»Sei nicht albern, Amelia«, schimpfte Grandmère. »Du kannst den Damen von Domina Rei nicht die Privatkorrespondenz deines Großvaters vorlesen.«
Dabei hatte ich gar nicht an Grandpère gedacht (obwohl er während des Zweiten Weltkriegs ein paar ziemlich interessante Briefe geschrieben hat), sondern eher gehofft, Monsieur Christophe könnte mir etwas bringen, was ein bisschen …
Keine Ahnung. Weniger männlich? Weniger langweilig? Irgendwie HISTORISCHER wäre.
»Was ist denn zum Beispiel mit der da?«, fragte ich und deutete auf ein Ölbild, das in einer Nische über dem Wasserspender hing. Es war ein sehr hübsches, barockes Gemälde in einem schweren vergoldeten Rahmen, das ein junges Mädchen
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