Peinlich peinlich Prinzessin
in eine Ecke. »DAFÜR HABEN WIR JETZT KEINE ZEIT!«
»Bringen Sie mir dieses Tagebuch«, sagte ich zu Monsieur Christophe. »Ich will es lesen.«
»Wir haben«, sagte der Archivar, »sogar eine Übersetzung davon vorliegen. Da es im Französisch des 17. Jahrhunderts verfasst wurde und nur einen sehr kurzen Zeitraum umfasst - zwölf Tage -, haben wir es übersetzen lassen. Allerdings hat sich dabei herausgestellt, dass es nicht unbedingt die… ähem … zwölf ereignisreichsten Tage der genovesischen Geschichte waren. Wenn Sie die ersten Seiten überfliegen, werden Sie feststellen, dass es hauptsächlich davon handelt, wie sehr die junge Fürstin ihre Katze vermisst…«
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich es unbedingt lesen musste.
»Ich will die Übersetzung sehen«, verlangte ich, aber Grandmère brüllte: »AMELIA, setz dich wieder hin!«
Monsieur Christophe zögerte und wusste offensichtlich nicht, was er tun sollte. Einerseits stehe ich in der Thronfolge höher als Grandmère, andererseits ist sie lauter und furchteinflößender.
»Schon okay«, flüsterte ich dem armen Nussknacker zu. »Ich rufe Sie nachher an.«
Als ich kurz darauf sicher in meiner Limousine saß, hab ich Dad angerufen und ihn gefragt, ob er mir das Tagebuch besorgen kann.
Falls er meinen Wunsch merkwürdig fand, hat er es sich jedenfalls nicht anmerken lassen. Wahrscheinlich war er einfach
erleichtert, dass ich mich endlich wieder für etwas anderes interessierte als für mein Bett.
Als ich zu Hause ankam, wartete das Päckchen schon auf mich. Dad hat Monsieur Christophe gebeten, mir nicht nur die Übersetzung des Tagesbuchs, sondern auch das Porträt von Prinzessin Amelie Virginie schicken zu lassen.
Ich hab es an die Wand am Fußende meines Bettes gelehnt, wo früher mein Fernseher stand. Jetzt deckt es perfekt die hässliche Kabelbuchse ab und ich kann es mir vom Bett aus anschauen. In dem ich jetzt gerade liege.
Sie können mir zwar meinen Fernseher wegnehmen. Und meinen Hello-Kitty-Schlafanzug wegwerfen. Und mich zwingen, zur Schule zu gehen und eine Therapie zu machen.
Aber sie können mir nicht verbieten, mich ins Bett zu legen! (Wobei ich sagen muss, dass meine Probleme im Vergleich zu denen von der armen Prinzessin Amelie Virginie gar keine sind. Ich hab wenigstens keine BEULENPEST!)
Sonntag, 19. September, 23 Uhr, zu Hause
Gerade hab ich festgestellt, dass es exakt eine Woche her ist, als Michael mich angerufen hat, um mir zu sagen, dass zwischen uns alles aus ist. Ich meine, abgesehen davon, dass wir weiter gute Freunde bleiben.
Ich weiß gar nicht, wie ich mich fühlen soll. Natürlich möchte ich mich immer noch am liebsten für alle Zeiten im Bett verkriechen und weinen. (Obwohl man annehmen sollte, dass ich gar keine Tränen mehr in mir hätte, aber jedes Mal wenn ich daran denke, dass ich nie mehr seine Arme um mich spüren werde, quellen immer neue hervor.)
Andererseits denke ich auch daran, wie viele Leute es gibt, denen es viel schlechter geht als mir. Fürstin Amelie Virginie zum Beispiel. Ich meine, das muss man sich mal vorstellen! Erst haben ihre Eltern die Beulenpest bekommen und sind gestorben. Was jetzt nicht so FURCHTBAR schlimm für sie war, weil sie ihnen sowieso nicht besonders nahestand. Sie hatten sie nämlich schon mit vier Jahren in ein Kloster gesteckt, das so weit entfernt lag, dass sie ihre Familie ganz selten gesehen hat.
Dann starben nacheinander auch noch alle ihre Brüder an der Beulenpest - was sie zwar auch nicht so traurig gemacht hat, weil sie die ja auch kaum kannte. Aber das bedeutete, dass sie das Kloster verlassen musste, weil sie die Nächste in der Thronfolge war.
Die Nonnen haben Amelies Koffer gepackt und sie zum
Palast geschickt, wo sie zur Fürstin von Genovia gekrönt werden sollte. Amelie war nicht so begeistert darüber, weil sie ihre geliebte Katze Agnès-Claire im Kloster zurücklassen musste. Im Palast von Genovia durften nämlich keine Katzen gehalten werden. (Das ist übrigens immer noch so - komisch, wie vieles gleich bleibt, sosehr sich die Zeiten auch ändern.) Als Amelie im Palast ankam, stellte sie fest, dass sich der Bruder ihres Vaters, Onkel Francesco, dort schon eingenistet und stellvertretend die Regierungsgeschäfte übernommen hatte. Er war in der Familie ziemlich unbeliebt, weil er den Fürstenhund Padapouf einmal mit einem Fußtritt verjagt hatte. (Hunde durften und dürfen im Palast gehalten werden. Typisch!)
Wenn ich mich richtig erinnere
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